Das malerische Dorf Wudigeß/Budakeszi – heute Kleinstadt – liegt von Bergen umgeben in der Nähe der Hauptstadt, eben deshalb war es schon am Anfang des 20. Jahrhunderts ein bekannter Sommer-Urlaubsort, wo Hunderte von Bürgerfamilien aus Budapest den Sommer verbrachten. Sie mieteten meistens möblierte Wohnungen oder Häuser oder – wie es mein Urgroßvater väterlicherseits, Ferenc Szonda (Sonntag), getan hatte – haben ein Haus, eine Villa bauen lassen. So hat die Familie Szonda den Sommer im eigenen Haus in der Rákóczi-Straße in Wudigeß, den Winter in der Hauptstadt, in der Szinyei-Merse-Straße, verbracht.
Die deutsche Bürgerfamilie Herein hat für den Sommeranfang der 1900er Jahre (von 1905 bis 1908) eine Wohnung in der Széchenyi-Straße, im Eller-Haus (Nr. 25) gemietet, aber die ständige Adresse der Familie war in Budapest, in der Páva-Straße. Das Familienoberhaupt Matthias Herein ging zu Fuß oder fuhr mit der Kutsche oder mit dem Fiaker zur Arbeit, während seine Kinder im Dorf mit den Gleichaltrigen spielten. Am Wochenende besuchten die Großeltern (Ferenc Buschmann mit seiner Frau) ihr Kind und die Enkelkinder, die Erwachsenen haben dann die Zeit mit Tarockspielen verbracht. Sonntags, nach der heiligen Messe, sind die Leute in der Almássy-Gaststätte zusammengekommen, wo sie bei einem Glas Bier vor dem Mittagessen Kegeln geschoben haben.
Im Garten der gemieteten Häuser haben sich die Urlauber erholt: sie lagen in den traditionellen Liegestühlen oder saßen in Saletten, die Frauen machten Handarbeiten. Die Kinder auf Sommerfrische spielten am liebsten mit den anderen Kindern auf dem Spielplatz (Spülplatz), auf dem Holzplatz am Waldrand. Die Familie Herein (die Familie meines Großvaters Gyula Herein) verbrachte die Sommer bis 1933 im Theisz-Haus in der Erdő-Straße 105 (Waldgasse), zwischen 1934 und 1938 wohnten sie auch im Winter bei Geiselhardts in Wudigeß.
Das alles erzählte mir meine Tante Stefánia Bercse-Herein, die sich in Wudigeß zu Hause fühlte. Sie verbrachten den Sommer 1941 im Koch-Haus in der Waldgasse, im Sommer 1942 wohnten die Mädchen (sie und ihre Schwester Beáte) in der Klosterschule (Zárda genannt). Die schönste Zeit waren für die Familie Herein die Sommer 1943 und 1944 in der Kálvária-Straße, im Haus Nr. 25. Über diese Sommer erzählte meine Tante nur in Superlativen: Es gibt nichts Besseres, als bei Regen auf der Veranda im Liegestuhl zu liegen und ein gutes Buch zu lesen, behauptete sie oft. Von dort hatte man sogar eine wunderschöne Aussicht auf das Dorf. Ja, damals wollten die Menschen nicht unbedingt ans Meer fahren, sondern sie waren mit den Reisebeschreibungen, die sie lasen, mit der sauberen Luft, mit dem frischen Obst und mit der Freiheit total zufrieden. So erwähnte auch mein Vater, Gyula Herein, die Ofner Berge als den schönsten Ort der Welt. Jeder hat wahrscheinlich einen „Lieblingsort“, und der befindet sich meistens im Heimatdorf oder in der Nähe.
Den Bericht meiner Tante hat meine Mutter, Katalin Mayer-Herein, die in Wudigeß geboren wurde, ergänzt. Die Wudigesser Bewohner haben ihre schönen Wohnungen für den Sommer vermietet, sie zogen dann in die Sommerküche. Die Budapester Bürgerfamilien mieteten dort Häuser oder Wohnungen, wo es wenig Vieh gab, also nicht bei den Bauernfamilien. Die meisten Wohnungen wurden möbliert vermietet. In unserem Haus waren im Sommer drei Zimmer vermietet, wir waren mit den Budapester Kindern befreundet und haben mit ihnen sehr gern gespielt. Die Mädchen haben Ball gespielt, Puppenkleider genäht, Himmel und Hölle gespielt. Die Buben spielten mit Reifen, die sie mit einem Holzstück getrieben haben (Tschirgel treiben). Die Männer – wenn sie nicht gearbeitet haben – lagen gerne in unserem Garten auf einer Decke unter dem großen Nussbaum im hohen Gras. Die Frauen stellten einen kleinen Klapptisch auf die Veranda und haben Rummy gespielt.
Bei den Gaststätten im Dorf waren die Urlauber willkommen: viele bestellten Mittagessen, z. B. im Martin’s Gasthaus zum „Goldenen Adler“ oder in der Mocsnek-Gaststätte. Für die Gemeinde waren die Mieter wirtschaftlich wichtig, weil die Budakesser Vermieter-Familien die Steuer so leichter bezahlen konnten. Auch für die jungen Mädchen bedeuteten die Gastfamilien eine Arbeitsmöglichkeit als Dienstmädl. Die Urlauber bekamen morgens Milch und Kipfel ins Haus geliefert.
Die allgemeine Sicherheit war damals vor dem Zweiten Weltkrieg im Dorf sehr gut. Die Türen der Häuser standen Tag und Nacht offen. Als Stefania Herein ihre Freundin Etus Schäffer früh am Morgen zum Spielen rufen wollte, hat sie ohne weiteres das ganze Haus durchsucht, bis sie ihre Freundin schlafend unter der großen Decke im letzten Zimmer gefunden hat.
Oft haben die Kinder mit Erwachsenen Ausflüge gemacht, in erster Linie auf den Johannisberg zum Elisabeth-Aussichtsturm. Abends genossen die Urlauber die frische Luft beim Spaziergang im Wald. Die Waldwege waren gepflegt, unterwegs konnten sie auf angenehmen, bequemen Bänken pausieren.
Am Wochenende gab es im Allgemeinen Unterhaltungen. Für die Kinder und Jugendlichen wurden Tanz- und Etikette-Kurse organisiert, die Tanzlehrer kamen aus Budapest.
Maria Herein Kőrös
Aus dem Inhalt
Die Einstellung auf das Ungewisse (Teil 3)
Wie gehen wir Ungarndeutsche mit der Corona-Krise um?
Die Corona-Krise ist Teil unseres Alltags geworden. In der Hauptstadt und im Komitat Pesth gibt es weiterhin Ausgangsbeschränkungen, die anderswo ab dem 4. Mai zum Teil gelockert wurden. Besonders gefährdet sind Senioren und Personen mit geschwächtem Immunsystem. Unser Arbeitsalltag ist normalerweise von Routine, Hektik und Verpflichtungen bestimmt. Nun heißt es weiterhin: „Bleiben Sie lieber zu Hause! Halten Sie Abstand! Tragen Sie möglicherweise Schutzmasken!“ Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf das Leben und den Alltag der Ungarndeutschen? Die NZ hat sich für Sie umgehört. Die Gespräche führte Gabriella Sós.
Die Gedenktafel der Vertreibung in Pirna
Im Mai 1948 erreichte die Vertreibungswelle der Deutschen aus Ungarn Sektschi/Kaposszekcső. Die Deutschen wurden am 11. Mai 1948 in Dumbowa einwaggoniert und kamen am 16. Mai in Pirna/Sachsen an. Die bis im Juni 1948 in die damalige Ostzone Deutschlands vertriebenen Ungarndeutschen, etwa 50.000, waren nur wenige Tage in den Kasernen in Pirna untergebracht, sie wurden auf Städte der Region um Dresden verteilt. An der Straße vor der ersten grauen Kaserne wurde am 22. August 2016 eine Gedenktafel zur Vertreibung der Ungarndeutschen, auf Anregung und Betreiben von Prof. Dr. med. Jakob Justus aus Meknitsch/Mekényes und Prof. Heinrich Oppermann, aufgestellt.
Fernquarantäne-Band
Für die meisten ist das Eingesperrtsein zu Hause sehr schwierig, vor allem für diejenigen, die auch ihre Arbeit nicht verrichten können. So ergeht es derzeit auch vielen Musikern, die wegen den Beschränkungen keine Konzerte geben und ihre Musikerkameraden auch nicht treffen können. Not macht erfinderisch! Kurzerhand bildeten drei Musikanten, die ursprünglich alle aus der Mohatscher Gegend stammen, eine Internet-Band. Erzsébet Mausz, Krisztián Tamás und Ferenc Pál haben einst zusammen musiziert, doch derzeit zwingt sie die Quarantäne in das heimische Wohnzimmer.
GJU-TrachtTag in Ketschinge
Die Gemeinschaft Junger Ungarndeutscher hat in bescheidenem Rahmen, aber doch zusammen den TrachtTag gefeiert. Ein paar GJUler, die in der Branau nahe beieinander wohnen, sind in Ketschinge zusammengekommen, um die Trachtenstücke der Omas und Opas anzuziehen und schicke Fotos für die Initiative des Ungarndeutschen Kultur- und Informationszentrums zu knipsen. Das ungarndeutsche Fernsehmagazin Unser Bildschirm hat auch vorbeigeschaut und einige Aufnahmen über die Auswahl der Trachtenstücke, wie man sie anzieht sowie über das Fotoshooting auf dem Gang eines Ketschinger Schwabenhauses gemacht.
Videokonferenz von AGDM-Jugendvertretern zur Lage und Perspektive der Jugendorganisationen in der Corona-Krise
Die Corona-Pandemie bzw. ihre Auswirkungen auf die deutschen Minderheiten in Europa bildeten das Hauptthema einer Videokonferenz, an der am 22. April Jugendvertreter der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) aus zehn Ländern (Serbien, Kroatien, Slowenien, Tschechien, Polen, Rumänien, Russland, Kasachstan, Slowakei und Ungarn) teilnahmen. Die AGDM haben Koordinatorin Renata Trischler sowie Jugendkoordinator Patrik Lompart vertreten. Seitens der Ungarndeutschen war GJU-Vizepräsident Martin Surman-Majeczki, Mitglied des Jugendausschusses der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, am Erfahrungsaustausch beteiligt.
Online-Stammtisch in Neudörfl
Letztes Jahr hat die Deutsche Nationalitätenselbstverwaltung von Neudörfl/Újbarok beschlossen, neben den beliebten Programmen auch neue zu veranstalten. Da es leider wenig Möglichkeiten zum Deutschüben außerhalb des Bildungswesens gibt, wird seit Januar jeweils am ersten Mittwoch des Monats eine Stammtischsitzung abgehalten. Für den 24. April stand im Stammtischkalender ein Besuch im Haus der Ungarndeutschen in der Budapester Lendvay-Straße. Da das Zentrum-Team und die Neue-Zeitung-Redaktion nicht besucht werden konnten, entschied man sich für eine Online-Sitzung. Da der 24. April dieses Jahr der TrachtTag war, haben sich die Mitglieder in Tracht vor dem Computer getroffen und über das Thema Tracht und Kleidung diskutiert. Die Tracht aus Neudörfl und Saar wurde miteinander verglichen, natürlich auf Hochsprache oder im Neudörfler und Saarer Dialekt.
Einzeln zu Hause, aber alle zusammen
TrachtTag daheim 2020
Am letzten Aprilfreitag feiern die Ungarndeutschen ihre wunderschöne Tracht. Das ist seit 2015 zur Tradition geworden. Dieses Jahr fiel der Termin vom TrachtTag auf den 24. April, als auch die ungarische Volkstracht gefeiert wird. An diesen Tag knüpfend zählt der TrachtTag als ein echter Farbtupfer, denn die deutschen Trachten tragen zweifellos zur vielfältigen Kultur des Landes bei.
Marok: Die Erinnerungen an das „HAUS“ bleiben immer schön
/in Aktuell, Neue Zeitung /von BachDorottyaIch heiße Molnár Lászlóné, geboren als Erzsébet Mancz am 15. Dezember 1940 in Marok (damals Püspökmárok, heute Erdősmárok), einem kleinen ungarndeutschen Dorf im Komitat Branau.
Gala in Komitat Wesprim
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Herbst schenkte uns ein herrliches Wetter mit heiterem Sonnenschein und bunten Blättern, ideal für die Wesprimer Komitatsgala am 12. Oktober in Papa. Zu Anfang zelebrierte Hochwürden Zoltán Tál eine innige deutschsprachige Messe in der Benediktinerkirche im Herzen der Stadt, stilvoll und angemessen auch für die Segnung der Preise, die später verliehen wurden.
„Sag beim Abschied leise Servus“ Trauer um einen Stimmkollegen
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDen Ferenc-Faluhelyi-Preis der Stadt Fünfkirchen hat Johann Ritter nicht mehr persönlich entgegennehmen können. Seinen 68. Geburtstag hat er noch erlebt, doch am 11. September 2024 hat er für immer die Augen geschlossen.
Ein hervorragender Klarinettist, der die ungarndeutsche Blasmusik in ihren einzelnen Schwingungen authentisch erklingen ließ – von ihm müssen wir uns nun verabschieden.
„Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Verband der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltungen der Tolnau hat den diesjährigen Niveaupreis „Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller verliehen. Die Auszeichnung wurde beim Komitatstag am 2. September im Mihály-Babits-Kulturzentrum in Seksard vom Vorsitzenden der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltung der Tolnau, Georg Féhr, und vom Ehrenvorsitzenden des Verbandes der Deutschen Selbstverwaltungen der Tolnau e.V., Dr. Michael Józan-Jilling, überreicht.
300 Jahre entlang der Donau – Deutsches Jugendcamp in Ulm
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDie Deutsche Selbstverwaltung Gereschlak hat mit einem Antrag an den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter eine Förderung von 1,5 Millionen Forint für ein deutsches Nationalitätencamp gewonnen. Das Ziel war, ein besonderes Jugendcamp mit ungarndeutschem Hintergrund in Ulm zu organisieren, um auf diese Weise der 300-jährigen Ansiedlung der Deutschen in Ungarn zu gedenken. In Ulm und Umgebung haben wir Fahrradtouren unternommen, um die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf die Geschichte aufmerksam zu machen. Wir haben auch aus Gereschlak und Umgebung vertriebene Deutsche in und um Ulm besucht.