Ungarndeutsche Spuren im Sommerurlaub 2018
Nicht um Spuren aus der Vergangenheit zu suchen, kam ich eigentlich 2018 zu treuen Verwandten nach Ungarn, sondern zum „Tapetenwechsel“ aus dem Alltag. In einem Mix von Wolkenbruch, aufkommenden kühlen Tagen der Erholung und kleinen Fahrten lagen dennoch unerwartet Spuren zu früheren Zeiten vor mir.
Meine Fahrt begann in Mariazell in der Steiermark, von wo ich ins Ofner Bergland abgeholt wurde. Die Spur: Seit 1952 organisierte Dr. Ludwig Leber aus Großturwall/Törökbálint, Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn in Stuttgart, zweimal jährlich mit Sonderzügen der Caritas-Flüchtlingshilfe Wallfahrten für Heimatvertriebene hierher. Ab 1959 gehörte auch ich zu den priesterlichen Begleitern der Wallfahrt. Seither fühle ich mich von diesem Ort heimatlich angezogen. Die Spur? Dr. Leber hatte einen Brauch aus dem Vorkriegs-Ungarn wieder aufgenommen: Seit 1925 war nämlich von der Kirche in der Wasserstadt in Budapest ein Pilgerschiff bis Maria Taferl in der Wachau gestartet. Von dort ging die Wallfahrt teilweise zu Fuß nach Mariazell weiter. Eine zweite Spur: Initiator und Leiter dieser Wallfahrten war zusammen mit Dr. Ludwig Leber der aus Schambek stammende Redakteur des damaligen Bleyerschen Sonntagsblatts, Johann Faul-Farkas. Bin ich da nicht etwa daheim gelandet?
Die Schwarze Madonna in Márianosztra
Migrant an der österreichischen Staatsgrenze, so musste ich mir bei der Einreise nach Ungarn vorkommen. So etwas wie ein Wunder kommt nun tatsächlich auch im 21, Jahrhundert vor: Beiderseits der Grenze nicht besetzte Stationen ohne kontrollierende Beamten! Als die schmale Straße recht holprig wurde, registrierten wir, schon in Ungarn zu sein.
Erster Halt auf der Fahrt sollte nach meinem Wunsch Gschirnau/Csorna sein. Fast wie ein Schloss breit hingelagert, frisch restauriert in Maria-Theresia-Gelb die nach monarchischer Vergangenheit duftende Prämonstratenserabtei. Die Kirche: wie meistens in Ungarn geschlossen. Mir kam jedoch blitzartig der Gedanke, wir könnten doch an der Pforte des Klosters läuten. Und tatsächlich: ein freundlicher junger Novize führte uns durch die relativ kleine, jedoch erneuerte spätbarocke, fast klassizistische Kirche. Und wieder die Spur! Der schon erwähnte Landsmann Johann Faul aus Schambek war zu Beginn des 20. Jahrhunderts Novize mit dem Gedanken hier Chorherr zu werden. Gottes Wege führten ihn anders, aber eines heimatlich schwäbischen Eifers noch nicht bewusst, ungarisierte er hier seinen Familiennamen auf Farkas. Als rechte Hand Jakob Bleyers wurde er jedoch bald zum bekannten Johann Faul-Farkas.
Die Alte Kirche in Schambek, das Münster der Prämonstratenser, wurde im 15. Jahrhundert vom Pauliner-Orden übernommen
Auf einer Ausflugsfahrt durch einmalig romantische, unberührte Wälder wollten wir nicht das frühere Hochsicherheits-Gefängnis für Politiker in Márianosztra besuchen, sondern die darin versteckte Wallfahrtskirche mit dem Bild der Schwarzen Madonna. Kunstgeschichtlich ein außerordentlich schöner barocker Raum! Betreuer: polnische Paulinerpatres. Wieder die Spur! Ganz in den Schluchten des einst heimatlichen Pilischer und Ofner Berglands versteckt war der Eremiten-Mönchsorden der Pauliner entstanden; ein Kanonikus aus Gran/Esztergom, der selige Eusebius, war sein Gründer. Der intensiv aufsteigende Orden hatte im 15. Jahrhundert auch das Münster der Prämonstratenser, die Alte Kirche, in Schambek übernommen und umgestaltet. Darum gibt es heute in Schambek eine Paulinergasse.
Und noch eine Spur rührte mich. Das Gemälde des kleinen Rokoko-Altars rechts hinten zeigt ein zeitgeschichtlich sehr interessantes Motiv: zwei Hände, zwei Füße von Nägeln durchbohrt und ein dornenbekränztes Herz = die fünf Wunden Jesu. In der Zeit, als unsere Vorfahren in das Ofner Bergland kamen, war es besonders in Schambek üblich, am Kalvarienberg fünf Vaterunser, wie man sagte, zu den fünf Wunden Jesu mit ausgebreiteten Armen zu beten. Spuren unserer Vergangenheit in Ungarn zu sichern, heißt für mich, sie zuerst einmal wahrzunehmen und zu sehen.
Martin P. Jelli
Foto: I. F.
Aus dem Inhalt
Skulptur erinnert an die Schlacht am Haschaner Berg
„Begegnungen“ – so heißt die Skulptur von Carolin Schwarzhuber, die an die Schlacht am Haschaner Berg von 12. August 1687 erinnern soll. Auf Einladung der Bürgermeister von Haschan und Willand hat am 12. August der deutsche Botschafter Volkmar Wenzel zusammen mit dem Militärattaché Wolf Illner eine Skulptur zur Erinnerung an die historische Schlacht am Haschaner Berg enthüllt. Vertreter aus der Politik, beider Gemeinden und des Verteidigungsministeriums sowie die Künstlerin Carolin Schwarzhuber, die die Skulptur modelliert hat, nahmen an der Veranstaltung teil. Die Skulptur „Begegnungen“ ist ein Beitrag der Bundesrepublik Deutschland für den Gedenkpark am Haschaner Berg.
Weltfreundschaftstreffen der Eleker 2018
Es war bereits das 14. Freundschaftstreffen, das vom 3. – 5. August in Elek stattfand. Ein buntes Programm erwartete die Gäste von nah und fern. Aus den deutschen Partnerstädten Gerolzhofen, Laudenbach und Leimen sind ca. 100 Personen mit einem Reisebus und PKW-s eingetroffen sowie eine Delegation aus dem naheliegenden Ottlaka (Rumänien). Mit 40 Teilnehmern war das Demokratische Forum der Deutschen in Temeswar vertreten. Aus der französischen Stadt Mamers, Partnerstadt der Stadt Gerolzhofen, waren auch Gäste dabei.
„Unser Karcsi“ hat uns für immer verlassen…
Károly Bányai (geb. 28. Dezember 1955, + 2. August 2018), Bürgermeister, Gründer und Abgeordneter der 1998 gebildeten Deutschen Nationalitätenselbstverwaltung, Gründer und Stifter des Deutschen Minderheitenvereins und des Deutschen Chors Kokersch/Kakasd, hat uns für immer verlassen. Seit 2006 leitete er das Dorf als Bürgermeister, davor war er viele Jahre Abgeordneter. Schon sein Vater (Johann Bányai) war bis zum seinem Tod Ratsvorsitzender im Dorf und hat noch mit dem Bau des Dorfgemeinschaftshauses begonnen. Sein Sohn wollte noch dieses Jahr die im Januar begonnene umfangreiche Renovierung des Dorfhauses beenden. Leider war ihm dies nicht mehr vergönnt.
Im Czehmanns Grund ging‘s rund…
Nadasch ist im In- und Ausland für seine hervorragenden Weine bekannt. Jedes Jahr finden daher in der südungarischen Gemeinde etliche Veranstaltungen rund um den Wein statt: der landesweite Weinwettbewerb der Ungarndeutschen, das Kretzlfest mit Weinverkostung und auch die Winzer der einzelnen Kellerreihen lassen es sich nicht entgehen, kleine Zusammenkünfte zu organisieren. So wurde auch heuer am 11. August das alljährliche Grundfest in einer der längsten Kellerreihen von Nadasch, dem Czehmanns Grund, veranstaltet.
Hajoscher Wörterbuch
Hinsichtlich der Identitätsbewahrung in den ungarndeutschen Dörfern gibt es zahlreiche Bereiche, die gepflegt werden sollen: Volksbräuche, Traditionen, Tänze, Lieder – vielleicht als die schwierigste Aufgabe gilt jedoch die Sprachpflege, zumal es sich im Falle der Mundart um eine sprechsprachliche Varietät handelt. Das im Jahre 2016 erschienene Hajoscher Wörterbuch ist eben deshalb ein relevantes Unternehmen, wozu die Zusammenarbeit eines ganzen Teams um Theresia Szauter und Maria Schön benötigt wurde.
Messe der Ungarndeutschen des Komitates Batsch-Kleinkumanien
Drei Tage vor Mariä Himmelfahrt, am 12. August, einem sehr heißen Sonntag, wurde um 18.00 Uhr in der Heiligen-Antonius-Kirche in Baje die feierliche traditionelle Messe der Ungarndeutschen des Komitates Batsch-Kleinkumanien gefeiert. Pfarrer Matthias Schindler, Johann Bergmann und Tibor Szűcs zelebrierten die deutsche Messe.
Backnanger Kapelle in Baje
Die ungarndeutsche Heimatblaskapelle von Backnang, die die ungarndeutsche Musikkultur pflegt und Kulturbotschafterin ihrer Region ist, gab nach der ungarndeutschen Komitatsmesse in Baje direkt vor der Kirche auf dem Franziskanerplatz unter der Leitung des Dirigenten Hans Bachstetter (seine Eltern stammen aus Ungarn) ein Konzert.
Valeria-Koch-Gedenkfeier im Ungarndeutschen Bildungszentrum
Eine landesweite Veranstaltungsreihe wurde zum Gedenken an die vor zwanzig Jahren verstorbene Valeria Koch realisiert. Im Haus der Ungarndeutschen in Budapest, im Ungarndeutschen Bildungszentrum in Baje, im Lenau-Haus und im Valeria-Koch-Bildungszentrum fand eine besondere Gedenkfeier, verbunden mit einer Ausstellung statt. Die Schüler hatten die Möglichkeit, einen Einblick in das Leben und das literarische Schaffen der ungarndeutschen Dichterin Valeria Koch zu gewinnen. In den Deutschstunden wurden ausgewählte Werke der Dichterin behandelt. Wir berichten über die Gedenktour und veröffentlichen Schülermeinungen dazu.
Diversity-Festival der Jugend Europäischer Volksgruppen in den Niederlanden – mit der aktiven Teilnahme der GJU
Vier GJUler nahmen am Diversity-Festival der Jugend Europäischer Volksgruppen in Grou, in den Niederlanden, teil. An diesem Programm vom 5. bis 12. August wirkten 40 Jugendliche aus mehreren Minderheiten Europas mit. Das Festival wurde von den Friesen (FYK) organisiert. Vier Workshops – Sprache, Theater, Chor und Digitale Erzählung – wurden während der Woche angeboten. Das Hauptthema der Veranstaltung waren diesmal die Geschichten der Minderheiten, deshalb sollten alle als Aufwärmübung eine Kurzgeschichte vorbereiten.
Marok: Die Erinnerungen an das „HAUS“ bleiben immer schön
/in Aktuell, Neue Zeitung /von BachDorottyaIch heiße Molnár Lászlóné, geboren als Erzsébet Mancz am 15. Dezember 1940 in Marok (damals Püspökmárok, heute Erdősmárok), einem kleinen ungarndeutschen Dorf im Komitat Branau.
Gala in Komitat Wesprim
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Herbst schenkte uns ein herrliches Wetter mit heiterem Sonnenschein und bunten Blättern, ideal für die Wesprimer Komitatsgala am 12. Oktober in Papa. Zu Anfang zelebrierte Hochwürden Zoltán Tál eine innige deutschsprachige Messe in der Benediktinerkirche im Herzen der Stadt, stilvoll und angemessen auch für die Segnung der Preise, die später verliehen wurden.
„Sag beim Abschied leise Servus“ Trauer um einen Stimmkollegen
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDen Ferenc-Faluhelyi-Preis der Stadt Fünfkirchen hat Johann Ritter nicht mehr persönlich entgegennehmen können. Seinen 68. Geburtstag hat er noch erlebt, doch am 11. September 2024 hat er für immer die Augen geschlossen.
Ein hervorragender Klarinettist, der die ungarndeutsche Blasmusik in ihren einzelnen Schwingungen authentisch erklingen ließ – von ihm müssen wir uns nun verabschieden.
„Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Verband der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltungen der Tolnau hat den diesjährigen Niveaupreis „Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller verliehen. Die Auszeichnung wurde beim Komitatstag am 2. September im Mihály-Babits-Kulturzentrum in Seksard vom Vorsitzenden der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltung der Tolnau, Georg Féhr, und vom Ehrenvorsitzenden des Verbandes der Deutschen Selbstverwaltungen der Tolnau e.V., Dr. Michael Józan-Jilling, überreicht.
300 Jahre entlang der Donau – Deutsches Jugendcamp in Ulm
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDie Deutsche Selbstverwaltung Gereschlak hat mit einem Antrag an den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter eine Förderung von 1,5 Millionen Forint für ein deutsches Nationalitätencamp gewonnen. Das Ziel war, ein besonderes Jugendcamp mit ungarndeutschem Hintergrund in Ulm zu organisieren, um auf diese Weise der 300-jährigen Ansiedlung der Deutschen in Ungarn zu gedenken. In Ulm und Umgebung haben wir Fahrradtouren unternommen, um die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf die Geschichte aufmerksam zu machen. Wir haben auch aus Gereschlak und Umgebung vertriebene Deutsche in und um Ulm besucht.