Stichwort Dialog: Der Facettenreichtum der ungar(länd)ischen Kultur als Qualitätsmerkmal – Gespräch mit Dezső B. Szabó, dem Leiter des Ungarischen Kulturinstituts in Stuttgart
Seit Februar 2017 begrüßt der neue Institutsleiter, Dezső B. Szabó (Foto), der bekennende Ungarndeutsche aus Sankt Iwan bei Ofen, die Gäste im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart. Der studierte Germanist und Historiker kehrte in jenes Institut zurück, wo er 2000 – 2004 als wissenschaftlicher und kultureller Sekretär tätig war. Er bringt administrative Erfahrungen aus der Staatsverwaltung mit, lange Jahre hindurch war er Direktor für internationale Beziehungen am Balassi-Institut und wirkte auch als stellvertretender Staatssekretär für Kulturdiplomatie. Wie er im Programmheft des Institus formuliert, ist er bestrebt, einen Dialog anzuregen: „Die Kultur Ungarns hat hier in Baden-Württemberg längst eine Heimat gefunden, die sich in ansprechenden Angeboten in Kunst und Kultur, in der Sprachbildung, in der Musik, in der Wissenschaft vielfältig ausdrückt.“ Über seine Aufgaben, Zielsetzungen, kurz- und mittelfristigen Pläne sprach er der NZ gegenüber während seiner Osterferien in Budapest.
NZ: Herr Szabó, wird diese im Programmheft angesprochene Bandbreite der Kulturangebote auch bei den nächsten Events deutlich?
D.Sz.: Wir haben aktuell Kodály-Gedenkjahr. Unsere Neuinterpretation folgt im Mai: die Wirkung der Musik von Kodály im Jazz. Wir arbeiten mit einer Agentur zusammen, die sehr häufig vom Cseh-Tamás-Programm junge Talente vermittelt. Die Autorenlesung im Juni mit Ákos Doma, Chamisso-Preisträger 2015, ist eine Zusammenarbeit mit der Robert Bosch Stiftung. Wir müssen uns auch in Richtung Jugend öffnen, György Konkoly-Thege ist seit zehn Jahren der offizielle Fotograf des Sziget-Festivals. Nun trifft er eine Auswahl aus seinen besten Fotos. Was dann nicht im Programmheft steht: in den vergangenen acht Wochen hatte ich mehrere Dutzend Gespräche.
NZ: Steht die Partnerschaft zwischen Ehingen und Gran auch im Sinne der Jubiläen im Programm?
D.Sz.: Von 1992 datiert ist der Grundlagenvertrag für die deutsch-ungarischen freundschaftlichen Beziehungen. Viele Partnerschaften wurden 1992 oder 1993 gegründet und feiern nun das fünfundzwanzigjährige Bestehen. In Ehingen gibt es die ungarische Bibliothek, die von Gudrun Brzoska geleitet wird, mit ihr haben wir auch beim Arany-Programm zusammengearbeitet.
NZ: Wie ist es, wieder nach Stuttgart zurückzukehren?
D.Sz.: Ich habe in Tübingen studiert, ich bin mit tausend Fäden an Baden-Württemberg gebunden. Viele Menschen kenne ich seit zehn-fünfzehn, sogar zwanzig Jahren. Das kulturelle Angebot in Stuttgart ist riesig geworden. In den deutsch-ungarischen Beziehungen gibt es Veränderungen. Die Dankbarkeit der Deutschen Ungarn gegenüber wegen der Grenzöffnung ist nicht mehr ein Selbstläufer. Wir müssen auch Menschen gewinnen, die damals nicht einmal gelebt haben, jetzt Kinder haben und überhaupt nichts von der Rolle Ungarns von damals wissen. Eine neue Situation ist auch, dass wir jetzt als Teil des Außenministeriums arbeiten. Wir sind keine politische Vertretung, wir vertreten die ungarische Kultur. Mit weniger Mitarbeitern als früher haben wir ganz Süddeutschland als Aktionsradius.
NZ: Wie sieht die Herbstplanung aus?
D.Sz.: Stuttgart spielt eine sehr spezielle Rolle in der Zusammenarbeit mit den Ungarndeutschen. Die erste Hauptveranstaltung im September wird die Eröffnung der Jubiläumsausstellung des fünfundzwanzigjährigen Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler sein. Ich habe Gespräche geführt mit dem Alt-Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn Klaus Loderer und dem neuen Joschi Ament. Ich möchte in Stuttgart eine neue Tradition schaffen und ab nächstem Jahr jedem 19. Januar gedenken. Mir liegt daran, den vor drei Jahren eingeführten offiziellen Gedenktag bei uns auf „offiziellem ungarischen Boden“ zu veranstalten. Wir wollen dem durchaus positivem Akt gedenken, dass Ungarn sich zu dieser historischen Verantwortung bekannt hat. Ein mittelperspektivisches Ziel von mir ist, die kulturelle Ausrichtung der Donauraumstrategie intensiver zu gestalten.
NZ: Gibt es Parallelen zwischen Ungarn und dem Land Baden-Württemberg, die Sie ausgesprochen im Blick haben?
D.Sz.: Das wissenschaftliche Thema der Innovation. Ungarn gilt ja als kreatives Land, es wird mit Recht auf die Vielzahl der Nobelpreisträger und die vielen ungarischen Erfindungen hingewiesen. Das Land, das noch vor hundert Jahren als Armenhaus Europas galt, wo es keine Schwerindustrie, keine Wertschätzung gab. Übrigens ist es weniger präsent, dass Baden-Württemberg in dieser Hinsicht uns sogar überholt, im Moment wird in Europa jedes fünfte Patent in Baden-Württemberg gemeldet, und in Deutschland jedes zweite. Der Plan ist, mit Hilfe der Startups den Dialog näher zu bringen. Überhaupt ist Dialog für mich ein wichtiges Stichwort für die nächsten Jahre.
A.K.
Fotos: NZ-Archiv, www.stuttgart.balassiintezet.hu
Aus dem Inhalt
Abgedreht! war auch diesmal alles außer langweilig
Als Abgedreht! das erste Mal stattfand, hätten die Mitarbeiter des Ungarndeutschen Kultur- und Informationszentrums und Bibliothek nicht gedacht, dass sich das Ungarndeutsche JugendFilmfest auch nach elf Jahren einer so großen Beliebtheit unter den Teilnehmern und dem Publikum erfreuen würde. Über 600 beträgt die Zahl der bisherigen Teilnehmer, und da wurden die Mitwirkenden in den Filmen noch gar nicht dazugezählt. Die Gewinner der ersten Jahre werden bald 30 Jahre alt sein. So schnell vergeht die Zeit. Abgedreht! wird aber nicht langweilig. Es melden sich von Jahr zu Jahr immer wieder die Teams der ungarndeutschen und zweisprachigen Gymnasien bzw. Mittelschulen mit deutschem Sprachunterricht an und verpflichten sich, einen maximal zehn Minuten langen deutschsprachigen Film über die Ungarndeutschen zu drehen.
LdU-Wanderbündel heimgekehrt
1 Jahr, 43 Schulen der Ungarndeutschen, etwa 3.500 km, mehrere Zehntausend angesprochene Schülerinnen und Schüler – so kann der Weg des Wanderbündels, das auf die Initiative der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU) unser Land bereiste, in Zahlen zusammengefasst werden. An all den Stationen machte es Kinder und Jugendliche auf die Schicksalsschläge der Deutschen in Ungarn im 20. Jahrhundert aufmerksam, und ließ sie sich mit der sich vor gut sieben Jahrzehnten ereigneten Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen befassen.
Brennbergs Wahrzeichen
Der Glockenturm in Brennberg, frei stehend auf einem Hügel, gegenüber der katholischen Kirche, ist ein Symbol und Wahrzeichen der evangelischen Brennberger Gemeinde. Nun ist es 80 Jahre her, dass er errichtet wurde. Für Generationen der Brennberger Gemeinde, die ihre Bekanntheit dem Kohlenbergbau verdankt, war es der erste Gruß, wenn sie aus den Tiefen der Schächte wieder ans Tageslicht kamen. Es ist kein pompöser Kirchenbau, kein besonderer Turm in aufregender Architektur, sondern ein Bauwerk mit tiefer symbolischer Bedeutung: bestehend aus zwei Säulen aus Naturstein, weist er auf das Wort von Martin Luther hin: Jesus Christus als Mittler zwischen Predigt und Gemeinde.
Überwacht
In den 1950er Jahren stand die Bevölkerung unter strenger Überwachung des Staatssicherheitsdienstes. Das prägte das Schicksal von Familien für Jahrzehnte. In der Fachliteratur wurden bisher wenig die Maßnahmen behandelt, welche die Ungarndeutschen betrafen, die ebenfalls im Fokus der Aufmerksamkeit des Staatssicherheitsdienstes (ÁVO) standen. Im Band von Katalin Gajdos-Frank wird die allgemeine Arbeit der Staatssicherheitsorgane vorgestellt und werden die in den Archiven über die Überwachung der ungarndeutschen Bevölkerung vorhandenen Akten erörtert, wobei die Relevanz der deutschen Herkunft hinsichtlich der Vergeltungsmaßnahmen untersucht wird.
Ist es schwer, als Ungarndeutscher zu leben?
Eine internationale Gruppe des Erasmus-Projekts des Friedrich-Schiller-Gymnasiums Werischwar besichtigte am 29. März das Haus der Ungarndeutschen in Budapest. Das dreijährige Projekt, an dem Mitglieder aus vier Ländern teilnehmen, beschäftigt sich mit dem Thema Minderheiten. Es werden die armenische Minderheit in Bulgarien, die christliche in der Türkei, die sorbische in Deutschland und die deutsche in Ungarn unter die Lupe genommen.
„Gestern – Heute – Morgen“ – zweite Station
25 Jahre VUdAK in Berlin gefeiert
Die gravierende Rolle der Ungarndeutschen mit Blick auf die ungarische Gesellschaft sowie den Beitrag des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler (VUdAK) betonte Gastgeber Dr. Péter Györkös, Botschafter von Ungarn, bei der Vernissage der Ausstellung „Gestern – Heute – Morgen“ in Berlin. Die Galerie der ungarischen Botschaft bot sich auch früher als ausgezeichneter Ausstellungsraum für die Werke ungarndeutscher Künstler an. Ab dem 28. April ist nun das Material der Jubiläums-Gemeinschaftsausstellung im Bau Unter den Linden am Brandenburger Tor zu sehen.
Marok: Die Erinnerungen an das „HAUS“ bleiben immer schön
/in Aktuell, Neue Zeitung /von BachDorottyaIch heiße Molnár Lászlóné, geboren als Erzsébet Mancz am 15. Dezember 1940 in Marok (damals Püspökmárok, heute Erdősmárok), einem kleinen ungarndeutschen Dorf im Komitat Branau.
Gala in Komitat Wesprim
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Herbst schenkte uns ein herrliches Wetter mit heiterem Sonnenschein und bunten Blättern, ideal für die Wesprimer Komitatsgala am 12. Oktober in Papa. Zu Anfang zelebrierte Hochwürden Zoltán Tál eine innige deutschsprachige Messe in der Benediktinerkirche im Herzen der Stadt, stilvoll und angemessen auch für die Segnung der Preise, die später verliehen wurden.
„Sag beim Abschied leise Servus“ Trauer um einen Stimmkollegen
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDen Ferenc-Faluhelyi-Preis der Stadt Fünfkirchen hat Johann Ritter nicht mehr persönlich entgegennehmen können. Seinen 68. Geburtstag hat er noch erlebt, doch am 11. September 2024 hat er für immer die Augen geschlossen.
Ein hervorragender Klarinettist, der die ungarndeutsche Blasmusik in ihren einzelnen Schwingungen authentisch erklingen ließ – von ihm müssen wir uns nun verabschieden.
„Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Verband der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltungen der Tolnau hat den diesjährigen Niveaupreis „Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller verliehen. Die Auszeichnung wurde beim Komitatstag am 2. September im Mihály-Babits-Kulturzentrum in Seksard vom Vorsitzenden der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltung der Tolnau, Georg Féhr, und vom Ehrenvorsitzenden des Verbandes der Deutschen Selbstverwaltungen der Tolnau e.V., Dr. Michael Józan-Jilling, überreicht.
300 Jahre entlang der Donau – Deutsches Jugendcamp in Ulm
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDie Deutsche Selbstverwaltung Gereschlak hat mit einem Antrag an den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter eine Förderung von 1,5 Millionen Forint für ein deutsches Nationalitätencamp gewonnen. Das Ziel war, ein besonderes Jugendcamp mit ungarndeutschem Hintergrund in Ulm zu organisieren, um auf diese Weise der 300-jährigen Ansiedlung der Deutschen in Ungarn zu gedenken. In Ulm und Umgebung haben wir Fahrradtouren unternommen, um die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf die Geschichte aufmerksam zu machen. Wir haben auch aus Gereschlak und Umgebung vertriebene Deutsche in und um Ulm besucht.