Malenki-Robot-Überlebende 101 Jahr alt geworden – Regina Gungl geb. Exner aus Nadasch

Zu einem besonderen Anlass versammelte sich die Familie von Regina Gungl Mitte Januar 2018. Sie, die Ururgroßmutter, wurde nämlich 101 Jahre alt.

Regina Gungl mit ihrer FamilieFünf Generationen: Regina Gungl geb. Exner (101 Jahre) mit ihrer älteren Tochter Margit (79), Enkelin Mária (60), Urenkelin Gabriella (37) und den Ururenkelinnen Nóra (7) und Gréta (5). Foto: Gabriella Schum

Regina Gungl geb. Exner wurde am 17. Januar 1917 in Püspöknádasd, heute Nadasch/Mecseknádasd, als fünfte Tochter ihrer Eltern geboren. In der Familie wurde immer deutsch gesprochen, erst in der Schule hat sie Ungarisch gelernt. Die Familie lebte von der Landwirtschaft. Zwischen 1923 und 1929 hat Regina Exner die Grundschule in ihrem Heimatdorf besucht und nachher war sie in der Familienwirtschaft tätig. Am 8. November 1937 heiratete sie den Nadascher István Gungl, sie haben zwei Töchter bekommen: Margit (1938) und Anna (1940).
Das bis dahin idyllische Dorfleben wurde 1944 völlig aufgewühlt. Regina Gungl erinnert sich an diese Zeiten, als wären sie gestern gewesen. Sie erzählte ihren Kindern und Enkeln über vieles, was damals geschah.
Ehemann war Fassbinder, er hatte eine eigene Werkstatt zu Hause, außerdem hatten sie auch Kühe, Pferde, Ackerfeld und Weingarten, sie lebten vom Handwerk und von der Landwirtschaft.

Am 22. November 1944 erreichten russische Soldaten Nadasch und ein Großteil der Bevölkerung floh in die Kellerreihen, um sich zu verstecken. Einen Monat später, am 22. 12. 1944, hat der Ortskommandant befohlen, dass sich alle arbeitsfähigen Personen deutscher Abstammung, Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren, Männer von 17 bis 45 Jahren, zu Wiederaufbauarbeiten melden sollen. Den Familien wurde mit Kriegsgericht gedroht, falls sie den Befehl nicht befolgt hätten. Da die Eheleute Gungl sehr verängstigt waren, haben auch sie sich gemeldet. Am 26. Dezember 1944 wurden sie, zusammen mit vielen anderen Nadaschern, erst ins benachbarte Petschwar und am nächsten Tag nach Fünfkirchen getrieben. Dort wurden sie in der Lakics-Kaserne untergebracht, wo sie zwei Wochen lang gewartet haben. Es wurde ihnen gesagt, dass sie auf der Ungarischen Tiefebene in der Batschka auf den Maisfeldern arbeiten müssen, weil der Kukuruz des Krieges wegen noch nicht gebrochen war. Einige sind aus der Kaserne geflohen, aber die Gungls hatten Angst um ihre Familie und sind deshalb geblieben. Am 11. Januar 1945 wurden sie mit dem Zug nach Baje gefahren. „Dort warnten uns einige russische Soldaten, dass wir nach Russland gebracht werden, aber wir hatten kein Vertrauen zu ihnen und glaubten ihnen nicht. Am nächsten Tag mussten wir in einen Viehwaggon einsteigen. Als wir schon in Rumänien waren, wurde uns klar, dass wir wirklich nach Russland gebracht werden“, erinnert sich Frau Gungl.

Während der Reise stand der Zug oft tagelang, das Essen war wenig, waschen konnten sie sich nicht und es war ja auch wegen des Winters eisig kalt. Der Weg nach Grosny in den Kaukasus dauerte einen Monat lang. Anfang Februar sind sie in einem Lager in der Nähe von Grosny, in Stari Promislaw angekommen. Frauen und Männer wurde getrennt in einem Rohbau, ohne Heizung unterbracht. Anfangs haben sie bei der Ausgrabung einer Ölleitung gearbeitet. Nach einigen Monaten wurde Regina Gungl sehr krank, sie wurde mit Rippenfellentzündung ins Krankenhaus geliefert. Inzwischen wurde ihr Mann in ein Lager gebracht, wo er als Fassbinder in einer Konservenfabrik hat arbeiten können. Nachdem sie entlassen wurde, durfte sie ihrem Mann folgen. Sie kam in die Küche, wo sie mit einer anderen Frau für die 80 Zwangsarbeiter kochten, die in der Konservenfabrik arbeiteten. Es gab fast jeden Tag Krautsuppe – Lebensmittel waren knapp. In ihrer Not haben sie von den Feldern Gemüse und Obst gestohlen, die Männer, die am Bahnhof arbeiteten, haben die Lebensmitteltransporte beklaut und das in die Küche gebracht. Die Einwohner der Nachbarortschaften waren sehr arm, aber trotzdem haben sie den Verschleppten ab und zu etwas zu essen gegeben.

Frau Regina Gungl
Regina Gungl vor ihrem Haus in Nadasch (2011). Foto: Gabriella Sós

Ende 1945 ist eine Ärztin gekommen, um die Kranken zusammenzuschreiben und zu untersuchen. Sie sagte, dass die kranken Gefangenen entlassen werden. Reginas Ehemann István war krank, er hatte hohes Fieber, deshalb wurde er auf die Liste der Ärztin aufgenommen. Die Ärztin flüsterte auch Regina zu, sie solle sich krank melden, weil sie dann nach Hause gehen kann. „Ich wollte ihr nicht glauben, ich hatte Angst, dass die Kranken vielleicht getötet werden. Ich hatte aber nicht viel zu verlieren und wollte mit meinem Mann bleiben, so habe ich mich auch gemeldet“, erinnert sich Frau Gungl. Der Transport mit den Kranken wurde tatsächlich nach Ungarn geschickt, sie hatten aber noch einen schweren Heimweg vor sich. Während der Fahrt hat sich der Zustand ihres Mannes verschlechtert, er wurde in Rumänien in ein Krankenhaus gebracht. Regina setzte die Heimfahrt mit anderen Entlassenen fort. Die letzte Strecke bis nach Hause hat sie zu Fuß zurückgelegt, sie ist im Frühjahr 1946 in Nadasch angekommen. Ihr Ehemann ist einen Monat später krank eingetroffen. Wegen seiner Lungenkrankheit musste er auch danach ständig ins Krankenhaus und wurde nie wieder gesund.

Die Freude zu Hause dauerte nicht lange, weil im Juli 1946 die Vertreibung der Ungarndeutschen nach Deutschland begann. Familie Gungl war auch auf der Liste, aber einen Tag vor ihrer Vertreibung kam die Nachricht, dass die Amerikaner keine weiteren Vertriebenen aufnehmen werden. Familie Gungl blieb also im Heimatdorf, ein Teil ihrer Familie aber kam nach Deutschland.

Ab 1948 kamen ungarische Familien aus Oberungern (heute Slowakei) nach Nadasch, auch in das Haus der Familie Gungl wurde eine von ihnen eingewiesen. Das ganze Hab und Gut, samt Werkstatt, Stall, Presshaus und Keller der Gungls hat die ungarische Familie bekommen. Sie erlaubte ihnen lediglich, die eine Hälfte des eigenen Hauses weiterhin bewohnen zu dürfen. Erst im September 1958 hat es die Familie Gungl geschafft, sich auf Kredit ein neues Haus leisten zu können. Einen Teil ihres Ackers hat die Familie noch behalten und bis 1960 bewirtschaften können. Im Dorf wurde jedoch bald darauf die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft gegründet und dann wurde auch ihr Acker in die LPG eingebracht.

1976 ist Reginas Ehemann István gestorben. Sie ist 1977 in Rente gegangen. Heute lebt Regina Gungl mit ihrer Tochter Margit und ihrem Schwiegersohn im selben Haus in einem getrennten Haushalt. Sie hat 2 Töchter, 3 Enkelkinder, 8 Urenkelkinder und schon 2 Ururenkelkinder.

Text: Gabriella Sós
Die biographischen Angaben basieren auf Informationen der Familien Gungl und Schum.

Aus dem Inhalt

330 Millionen Forint Ergänzungsförderung für die Nationalitäten

Selbstverwaltungen im Parlament

Zum zweiten Mal wurde an die von örtlichen Nationalitätenselbstverwaltungen getragenen Bildungseinrichtungen – Kindergärten und Schulen – eine ergänzende Förderung überreicht. Dieses Jahr befinden sich – das erste Mal – auch Kultureinrichtungen unter den Geförderten. Die Förderdokumente wurden am 21. Februar im Jagdsaal des Parlaments in feierlichem Rahmen übergeben. Miklós Soltész, Staatssekretär für die Beziehungen zu den Kirchen, Volksgruppen und zur Zivilgesellschaft, hob hervor, dass während im Jahr 2012 noch zwölf Bildungseinrichtungen von Nationalitätenselbstverwaltung getragen worden seien, sich diese Zahl bis heute auf 82 erhöht habe. Auch die Zahl der Kinder und Schüler in diesen Einrichtungen habe sich verdreifacht und erreicht bereits 15000. Der Staatssekretär würdigte auch die Arbeit der Sprecher, die seit 2014 im Parlament im Dienste ihrer Nationalitäten tätig sind.

Foto: László Bajtai

 

Denkmaleinweihung und Deutsche Bibliothek vorbereitet

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Die Heimatvertriebenen, Flüchtlinge und Nachkommen aus Plankenhausen/Győrsövényház und Leyden/Lébény trafen sich am 24. Februar in Weilburg Kubach. Johann Geigl, Sprecher der Interessengemeinschaft, hatte dazu eingeladen und gab einen Rückblick über die Aktivitäten der 2. Jahreshälfte des Vorjahres. Die Höhepunkte waren die Enthüllung der Gedenktafel und die Fertigstellung des Zuweges in Weilburg. Zur Gedenkfeier an Allerheiligen war Bürgermeister Imre Hokstock aus Plankenhausen mit Familie anwesend. Vorangegangen war ein offizieller Empfang im Weilburger Rathaus.

 

Unverblümtes Theater

Wie fühlt es sich an, in unserer heutigen Gesellschaft eine Frau zu sein? Welche Rolle nimmt sie ein und welche Aufgaben hat sie in der Familie? „Levesben“ (zu Deutsch In der Suppe) ist ein aktuelles Theaterstück, welches das Leben von Frauen verschiedener Minderheitengruppen humorvoll und doch kritisch darstellt. Die Produktion des Ensembles der Ungarländischen Nationalitätentheater beinhaltet Szenen und Gesang auf Armenisch, Deutsch, Griechisch, Serbisch und Polnisch, während das Stück in ungarischer Sprache abläuft.

Literatur übersetzt

Zwölf Mannschaften landesweit folgten am 21. Februar der Einladung des Klára-Leőwey-Gymnasiums in Fünfkirchen, sich der Herausforderung des Literaturübersetzens zu stellen. Mit Wörterbüchern gewappnet hatten Gymnasiasten und Grundschüler in vierköpfigen Teams vier Stunden Zeit, die aktuell vorgelegten unveröffentlichten lyrischen Texte von ungarndeutschen AutorInnen in die jeweils andere Sprache (Deutsch und Ungarisch) zu übersetzen.

Traditionelles Schweineschlachten in Sammet

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Im Februar organisierte die Deutsche Nationalitäten-Selbstverwaltung Sammet/Szomód zum 11. Mal den Schwabenball und zum ersten Mal das Schweineschlachten. Die Musikkapelle, die Lausbuben, machten wieder gute Stimmung. Dieses Jahr kamen so viele Leute, dass auch auf der Bühne Sitzplätze eingerichtet werden mussten. Die Kapelle musizierte auf dem Tanzboden, so hatten mehr als 250 Leute im Kulturhaus Platz.

 

KickOff-Seminar der JEV bei den Rätoromanen

Die erste Veranstaltung der Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV) in diesem Jahr war das KickOff-Seminar in der Schweiz. Von der GJU nahmen zwei Jugendliche daran teil: Vizepräsidentin Bettina Emmert und Multiplikatorin Loretta Wágner. Die Unterkunft war in Trin, in einem kleinen Dorf im östlichen Teil der Schweiz, wo die offizielle Sprache Rätoromanisch ist. Gastgeber waren die Mitglieder der Jugendorganisation GiuRu, die die rätoromanisch sprechenden Jugendlichen vertreten.

Faschingbegraben anderswie: Kneipen-Olympiade in Tarian

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In vielen Ortschaften wurde vor der Fastenzeit die alte Tradition des Faschingsbegräbnisses wiederbelebt. So war es vor kurzem auch in Tarian. Dieses Jahr hatte der Deutschklub eine neue Idee: Organisiert wurde am 11. Februar ein Wettbewerb, wozu alle Vereine und Zivilorganisationen eingeladen wurden. Martin Schneider, Erfinder des Programms, erzählt uns über den Nachmittag.

 

„Foto / Modell 2.“ zum Andenken

Die Universität für bildende Künste in Budapest arbeitet seit mehr als zwei Jahrzehnten ihre verschiedenen Archivalien auf. Zwischen den – oft vergessenen und deshalb unbekannten – Materialien konnten die Forscher auch rare Schätze entdecken, wie z. B. bei der reichen Fotosammlung. Parallel dazu konnte auch die Öffentlichkeit die Überraschungen kennen lernen. Die erste solche Ausstellung wurde hier 2016 organisiert und jetzt ist die nicht weniger interessante Fortsetzung zu sehen.

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Ich heiße Molnár Lászlóné, geboren als Erzsébet Mancz am 15. Dezember 1940 in Marok (damals Püspökmárok, heute Erdősmárok), einem kleinen ungarndeutschen Dorf im Komitat Branau.

Gala in Komitat Wesprim

Der Herbst schenkte uns ein herrliches Wetter mit heiterem Sonnenschein und bunten Blättern, ideal für die Wesprimer Komitatsgala am 12. Oktober in Papa. Zu Anfang zelebrierte Hochwürden Zoltán Tál eine innige deutschsprachige Messe in der Benediktinerkirche im Herzen der Stadt, stilvoll und angemessen auch für die Segnung der Preise, die später verliehen wurden.

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Der Verband der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltungen der Tolnau hat den diesjährigen Niveaupreis „Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller verliehen. Die Auszeichnung wurde beim Komitatstag am 2. September im Mihály-Babits-Kulturzentrum in Seksard vom Vorsitzenden der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltung der Tolnau, Georg Féhr, und vom Ehrenvorsitzenden des Verbandes der Deutschen Selbstverwaltungen der Tolnau e.V., Dr. Michael Józan-Jilling, überreicht.

300 Jahre entlang der Donau – Deutsches Jugendcamp in Ulm

Die Deutsche Selbstverwaltung Gereschlak hat mit einem Antrag an den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter eine Förderung von 1,5 Millionen Forint für ein deutsches Nationalitätencamp gewonnen. Das Ziel war, ein besonderes Jugendcamp mit ungarndeutschem Hintergrund in Ulm zu organisieren, um auf diese Weise der 300-jährigen Ansiedlung der Deutschen in Ungarn zu gedenken. In Ulm und Umgebung haben wir Fahrradtouren unternommen, um die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf die Geschichte aufmerksam zu machen. Wir haben auch aus Gereschlak und Umgebung vertriebene Deutsche in und um Ulm besucht.