Lenau-Preis 2017 für den Boschoker Chor: Freude am Singen, an der Pflege des ungarndeutschen Erbes und Stärke der Gemeinschaft

Der Boschoker Chor erhielt den Lenau-Preis 2017. Die Laudatio bei der Preisübergabe am 20. April im Fünfkirchner Lenau-Haus hielt Unser-Bildschirm-Redakteurin Eva Gerner. Gezeigt wurde auch ein Film über den Werdegang des Chors, der nächstes Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. Wir veröffentlichen die Laudatio gekürzt.

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Wer dachte, Volkslieder würden zum alten Kram der Vergangenheit gehören, der keinen mehr interessiert, dem würde ich die Landesfestivals der ungarndeutschen Chöre, die sehr populären unzähligen Chortreffen, den Aufruf des Fünfkirchner Valeria-Koch-Bildungszentrums zum Mitsingen am TrachtTag, die sehr lebhafte ungarndeutsche Chorbewegung und als guten Beweis für die intensive Pflege des von den deutschen Vorfahren hierher gebrachten Liedgutes natürlich auch den Boschoker Deutschen Chor empfehlen.

Ich darf Ihnen verraten, dass ich diese Gemeinschaft zur Auszeichnung für beispielhafte Pflege der Sprache, der Kultur und der Identität der Ungarndeutschen – den Text habe ich der von Bildhauer Franz Trischler geschaffenen bronzenen Medaille entnommen – vorgeschlagen habe. Ich kenne den Boschoker Chor sehr lange: die ersten Erinnerungen habe ich aus meiner Gymnasialzeit: Man wußte damals – das waren die zweite Hälfte der 70er Jahre –, dass die Boschoker an „Reicht brüderlich die Hand“-Wettbewerben erfolgreich teilnehmen. Martin Rittlinger, der legendäre Harmonikaspieler des Chores, war Eisenbahner in Badesek, der vom Kantor Paul Janser das Harmonikaspiel gelernt hat, Frau Heilmann hat bei der Galli Eva dort den Friseurberuf erlernt – unsere Familie stammt aus diesem Ort. Ich habe den Marci bácsi einmal auf dem Bahnhof besucht, als wir im Leőwey-Gymnasium mit unserer Schwäbischen Bühne den Schustertanz vortragen wollten, den Text jedoch nicht richtig kannten. Dann: Frau Koller, das Ehepaar Kerner und Johann Jäckl, der einstige Boschoker Kantor mit einmaliger Stimme – die Zuhörer der ungarndeutschen Rundfunksendung möchten bis heute die bekannten deutschen Volkslieder des Boschoker Trios hören –, sie waren die Mitwirkenden der allerersten ungarndeutschen Fernsehsendung im Studio mit Johann Wolfart vor 40 Jahren, im Jahre 1978. Bei Chorjubiläen, bei Besuchen im Heimatmuseum, bei Chortreffen, bei Buchpräsentationen, bei der Wallfahrt am Tage von Mariä Heimsuchung usw. konnte ich mich während Singen, Sprechen, Vorbereitungen, Interviews oder in sonstigen Situationen von der Originalität ihrer Sprache, ihres Sprachgebrauchs und auch ihrer Lieder, von ihrer ungefälschten Mentalität, von ihrem Engagement und von der Kraft dieser Gemeinschaft überzeugen. Auch aus diesen letzteren Jahren gibt es zahlreiche persönliche Erinnerungen: Elisabeth Koller habe ich hier im Kodály-Zentrum einmal in der Pause eines Weihnachtskonzertes über Weihnachtsbräuche, übers Christkindlspiel interviewt und sie sagte, „so was war pa uns net“. Wenige Tage später kam in der Redaktion ein Brief, mit Perlenbuchstaben geschrieben, für mich von der lieben Lisi néni an: „Liebe Eva, pa uns war ja tes alles a, to ware ja tie Nonne un vu tene ho mr tes Chriskindlspiel un all so was klent, aber waßt, wan’s so kschwint frohe tost, nom waß i nix.“ Frau Obert und Frau Thurn haben mich einmal samt Puppe in ein Kindstuch eingewickelt, als wir die Kindstücher vorstellen wollten, bei Frau Thurn, Maria Szorg, waren wir zum Mittagessen eingeladen, das Ehepaar Jordan hat in unserer Sendung das Buch, das sie unter Mitwirkung der Chormitglieder in deutscher Sprache über Boschok zusammengestellt haben, vorgestellt.

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Der Chor existiert seit 49 Jahren, wurde in den 60er Jahren unter den ersten ungarndeutschen Chören der Nachkriegszeit gegründet. Der Initiator war der damalige Sportlehrer der Boschoker Grundschule, Sándor Szabó, unter den ersten Sängern bzw. Mitgliedern waren Martin Rittlinger, Johann Jäckl, Elisabeth Koller, Paul Kerner, Maria Kerner, Klara Heilmann. Etliche von ihnen sind inzwischen aus dem Leben geschieden. Das Durchschnittsalter liegt über 70, aber sie halten jede Woche Probe und unternehmen zwar keine langen Reisen mehr, aber in der Gemeinde und in der Umgebung treten sie oft und gerne auf. Mit ihnen und durch ihre Vermittlung lebt das riesige Liederrepertoire der Boschoker weiter. Das Lied „Rund ist die Kugel“ gilt als Hymne der Boschoker und machte den Chor außerordentlich populär. Lange Zeit bestand auch das Boschoker Trio. Zahlreiche Tonband- und CD-Aufnahmen machten sie landesweit bekannt, im Wunschkonzert der ungarndeutschen Radiosendung werden sie immer noch verlangt.

Gegenwärtig hat der Boschoker Chor 16 Mitglieder, unter ihnen fünf Gründungsmitglieder. Ein besonderes Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit ist die vor drei Jahren erschienene Monographie über Boschok in deutscher Sprache. Die Chormitglieder sammelten dazu das Material, stellten ihr eigenes Erbe und Wissen zur Verfügung, und das Ehepaar Jordan sowie die Chorleiterin Maria Thurn führten die Redaktionsarbeit durch.

Freude am Singen, an der Pflege des ungarndeutschen Erbes und die Stärke der Gemeinschaft halten den Boschoker Chor zusammen, und in diesem Sinne bereiten sich die Mitglieder auf das 50. Jubiläum der Gündung im Jahre 2019 vor.

Aus dem Inhalt

Jede Bundesregierung hat Verantwortung gegenüber deutschen Heimatvertriebenen

„Mir liegt sehr daran, immer wieder deutlich zu machen, dass der Bund der Vertriebenen bei der Bundesregierung ein offenes Ohr findet und dass das auch in dieser Legislaturperiode genauso sein wird“, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen, der am 17. April im Tagungszentrum Katholische Akademie in Berlin stattfand. Um dies glaubhaft vertreten zu können, habe man diese Verbundenheit im Koalitionsvertrag bekräftigt. Praktisch erweise sich die „besondere Verantwortung“ gegenüber deutschen Heimatvertriebenen an der Berufung von Dr. Bernd Fabritius zum neuen Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten.

Brennberger in Brennberg

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Eine dreißigköpfige Delegation aus Brennberg (Landkreis Regensburg), geleitet von Bürgermeisterin Irmgard Sauerer, besuchte Brennberg in Westungarn. Die Kontakte zwischen den beiden Gemeinden bestehen bereits seit 1976. Freundschaftliche Beziehungen, gemeinsame Erlebnisse verbinden die beiden Gemeinden, die sich abwechselnd gegenseitig besuchen. Die Gäste wurden im Festsaal des Ödenburger Rathauses empfangen, sie besichtigten die Sehenswürdigkeiten der Stadt und die Schönheiten des Ödenburger Parkwaldes.

Museologin Judit Walter-Müller: „Ich verbeuge mich vor der Willenskraft, dem Durchhaltevermögen und Glauben der Verschleppten“

Die Museologin Judit Walter-Müller beschäftigt sich nun seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema Verschleppung der Ungarndeutschen in die Sowjetunion. Die Arbeit der stellvertretenden Direktorin des Janus-Pannonius-Museums in Fünfkirchen wurde 2017 mit dem Goldenen Verdienstkreuz Ungarns geehrt. Der NZ hat sie über ihre Forschungsgebiete und ihre persönliche Motivation erzählt.

Deutscher Tag in Fünfkirchen im Rahmen des Internationalen Frühlings

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Die Universität Fünfkirchen richtete gemeinsam mit dem Lenau-Haus den Deutschen Tag in Fünfkirchen aus. Eingeladen am 19. April waren die Studenten der Stadt und alle, die sich für die deutsche Kultur und Sprache interessierten. Der Deutsche Tag bildete den Abschluss der European Days, einer Veranstaltung der Universität, die im Rahmen des Internationalen Frühlings bereits zum zweiten Mal ausgerichtet wurde. Die Idee entstand 2017 zum 650-jährigen Bestehen der Universität. Es sollte den 3800 ausländischen Studierenden eine Plattform geboten werden, sich und ihre Kulturen vorzustellen.

Faust-Illustrationen in der Ofener Festung

Johann Wolfgang von Goethe hat seine Tragödie „Faust“ 1808 veröffentlicht, aber sein Leben lang hat er nie erlaubt, sie illustriert herauszubringen. Die Künstler – besonders die deutschen, aber auch europaweit – haben trotzdem schon in den 1810er Jahren angefangen, das berühmte Werk visuell zu interpretieren. Alexander Liezen-Mayer (Raab 1839 – München 1898) hat in der österreichischen und in der bayerischen Hauptstadt malen gelernt, ist schließlich an der Königlichen Kunstakademie in München Professor für Geschichtsmalerei geworden. Der Historienmaler hat in der ersten Hälfte der siebziger Jahre  begonnen, sich mit den Faust-Illustrationen zu beschäftigen, und die 50 Originalkartons für die Druckgrafiken in der ungarischen Hauptstadt ausgestellt, wo – nach damaligen Informationen – alle mit Erfolg verkauft wurden, deshalb landesweit zerstreut und bis heute nicht aufgetaucht sind.

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Marok: Die Erinnerungen an das „HAUS“ bleiben immer schön

Ich heiße Molnár Lászlóné, geboren als Erzsébet Mancz am 15. Dezember 1940 in Marok (damals Püspökmárok, heute Erdősmárok), einem kleinen ungarndeutschen Dorf im Komitat Branau.

Gala in Komitat Wesprim

Der Herbst schenkte uns ein herrliches Wetter mit heiterem Sonnenschein und bunten Blättern, ideal für die Wesprimer Komitatsgala am 12. Oktober in Papa. Zu Anfang zelebrierte Hochwürden Zoltán Tál eine innige deutschsprachige Messe in der Benediktinerkirche im Herzen der Stadt, stilvoll und angemessen auch für die Segnung der Preise, die später verliehen wurden.

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Der Verband der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltungen der Tolnau hat den diesjährigen Niveaupreis „Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller verliehen. Die Auszeichnung wurde beim Komitatstag am 2. September im Mihály-Babits-Kulturzentrum in Seksard vom Vorsitzenden der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltung der Tolnau, Georg Féhr, und vom Ehrenvorsitzenden des Verbandes der Deutschen Selbstverwaltungen der Tolnau e.V., Dr. Michael Józan-Jilling, überreicht.

300 Jahre entlang der Donau – Deutsches Jugendcamp in Ulm

Die Deutsche Selbstverwaltung Gereschlak hat mit einem Antrag an den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter eine Förderung von 1,5 Millionen Forint für ein deutsches Nationalitätencamp gewonnen. Das Ziel war, ein besonderes Jugendcamp mit ungarndeutschem Hintergrund in Ulm zu organisieren, um auf diese Weise der 300-jährigen Ansiedlung der Deutschen in Ungarn zu gedenken. In Ulm und Umgebung haben wir Fahrradtouren unternommen, um die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf die Geschichte aufmerksam zu machen. Wir haben auch aus Gereschlak und Umgebung vertriebene Deutsche in und um Ulm besucht.