Geschichten aus der alten Truhe: Hoffnung auf „Geborgenheit, Sicherheit, neues Vertrauen, Ansehen und eine neue Heimat“
Anna Portz liest azs ihrem Buch “Die alte Truhe” am 22. September 2018 im Haus der Ungarndeutschen Nationalitätenselbstverwaltung Sawer/Székelyszabar
Anna Portz (geb. Müller) brachte ihre Geschichten als Kriegskind zu Papier und diese erschienen in ihrem Buch „Die alte Truhe“ (2014). Seit der Vertreibung der Sawerner Ungarndeutschen am 23. September 1947 sind rund 71 Jahre vergangen. Die Vorfahren der Familie Müller kamen im 18. Jahrhundert in die neue Heimat und waren somit die ersten Pioniere des Dorfes, das bis 1947 Hercegszabar hieß. Am 24. Mai 1941 erblickte die kleine Amich das Licht der Welt und wuchs wohlbehütet in einer ungarndeutschen Familie auf, bis Krieg und Vertreibung über das Dorf und auch die Familie Müller hereinbrachen.
„Raus mit euch deutschem Gesindel!“ – das klingt heute noch in den Ohren von Frau Portz. Enteignung, Vertreibung und Verschleppung gehörten zum Schicksal der Ungarndeutschen, verbunden mit Schmerz, Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit und mit der bis heute noch immer wiederkehrenden Frage: Warum? Wie auch Josef Kanter in seinem Gedicht „Uns Schwaben war der Lebensweg nie mit Rosen bestreut“ beschreibt, wurden Anna und ihre Familie „wie das Laub im Wind vertrieben“, „mussten lassen Hof und Haus“ und wurden zu Heimatlosen.
Sie mussten das Nötigste binnen einer Stunde in einer Truhe zusammenpacken, sie wurden nach Mohatsch transportiert, dort in Waggons gepfercht, und der Zug rollte Richtung Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Das Auffanglager in Hoyerswerda (Sachsen) wurde zum Symbol des „unermesslichen und unüberschaubaren Elends“, wo „Hunger nach Essen und Hunger nach der Heimat“ den Alltag der Überlebenden bestimmte und die Menschen zur Erkenntnis brachte, dass die Geborgenheit der Familie der größte Reichtum des Lebens ist – wie es Anna schildert. Die Familie floh 1950 nach Westdeutschland. Das Jahr 1954 war für die Eltern von Anna ein Höhepunkt ihres Lebens in Deutschland, da sie sich in Lövenich ein Grundstück kauften und sich ein Haus bauten, in der Hoffnung auf „Geborgenheit, Sicherheit, neues Vertrauen, Ansehen und eine neue Heimat“.
In dieser neuen Heimat konnte Anna 1954 ihre Lehrjahre als Kaufmannsgehilfin beginnen und nach einer langwierigen und schmerzhaften Augenkrankheit 1956 die IHK-Prüfung als Kaufmannsgehilfin in Aachen ablegen. Anna schreibt, ab dem Tag normalisierte sich ihr Leben. In der Umarmung ihres Mannes, den sie im Mai 1966 heiratete, fand sie eine neue Heimat. 1970 kam ihr Sohn Michael zur Welt und die Familie zog in ein neues eigenes Haus. 1974 wurden Frau Portz und ihr Mann auch ein zweites Mal Eltern von Sohn Heiko und die vierköpfige Familie zog 1982 in ein größeres Haus in Erkelenz, wo sich die junge Mutter dem „HaGaKi“ (Haus, Garten, Kinder) widmete. 1987 kehre Anna mit ihrer Familie das erste Mal nach Sawer zurück. Im September 1947 war der letzte Gang zum Ziehbrunnen im Hof und so sah sich die junge Frau 40 Jahre später im Brunnen ihrer Kindertage mit der „gestohlenen Zeit, Heimat“ und allem was dazu gehört, konfrontiert.
Begleitet wurde Frau Portz von der alten Truhe aus Sawer. Mal war sie verschlossen, mal wieder geöffnet. Durch Annas Geschichten ist sie nicht nur ein Familienerbstück aus der Vergangenheit, sondern auch das Symbol der Stärke, des Überlebens. In die alte Truhe werden Geschichten gelegt, aus denen man für seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lernt. Anna Portz erzählte ihre Geschichten nach über 70 Jahren am 22. September im Haus der Ungarndeutschen Nationalitätenselbstverwaltung. Begleitet wurde die Lesung von Frau Dr. Anna Reder (Universität Fünfkirchen) und mit Musik der Portz-Kinder sowie dem Gesang des Sawerner Gemischtchores. Verwandte, Bekannte, Freunde aus der Kindheit nahmen an der Lesung teil und begaben sich auf die Reise in die Vergangenheit ihres Heimatortes. Die Erkenntnisse der Lesung liegen wohl darin, dass die Erinnerungen an unsere Kindheit für immer und ewig bleiben. Das Gefühl, welches das Spiegelbild in einem Brunnen in uns weckt, das Bild der Unendlichkeit des Himmels im Wasser, machen uns bewusst, dass uns keiner unsere Erinnerungen nehmen kann, wir bewahren sie für immer im Herzen. So wird auch diese Lesung in Erinnerung der Sawerner bleiben. Das Buch ist mittlerweile Bestandteil des Deutschunterrichts für Geflüchtete in Deutschland und wird für den Unterricht Deutsch als Fremd- und Zweitsprache didaktisiert. Ihre Geschichten sind nicht nur Facetten der ungarndeutschen Historie, sondern werden zum Gegenstand der Integration von Geflüchteten in Deutschland, zeigen eine Richtung in ein erfülltes und glückliches Leben in einer neuen Heimat an. Dank Anna ist die mit individuellen Begebenheiten verbundene ungarndeutsche Geschichte verewigt worden und kann den nachkommenden Generationen weitergetragen und erzählt werden. Wir vergessen nicht, sondern lernen und lehren aus Annas und unserer eigenen ungarndeutschen Geschichte.
László Ránics
Hannover 2018
Aus dem Inhalt
Chance für alle Nationalitäten: der unhaltbare Mangel an Kindergärtnerinnen soll beseitigt werden: Die LdU koordiniert das geplante Stipendienprogramm
Ein neues Stipendienprogramm, das den unhaltbaren Mangel an NationalitätenkindergärtnerInnen lösen soll, stand im Fokus der jüngsten Sitzung der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen am 27. Oktober in Budapest. Behandelt wurde auch das Ergebnis einer Umfrage über die Ansprüche von ungarndeutschen Institutionen, die Investitions- und Renovierungsmaßnahmen durchzuführen planen und dazu auf Gelder aus dem Fördertopf des Ministeriums für Humanressourcen hoffen. Die effektive Lösung eines gravierenden Problems aller Nationalitäten, nämlich der düstere Notstand an kompetenten Kindergartenpädagogen, scheint nun in die Wege geleitet zu sein.
„Dieselbe Lust, dieselben frohen Lieder…“ Deutscher Nationalitäten-Chorverein Mondschein in Seksard feierte 40-jähriges Bestehen
Im März 1978 wurde der „Chor des Seksarder Ungarndeutschen Freundeskreises“ gegründet. Die Mitglieder stammten aus Familien, die nach der Vetreibung aus mehreren ungarndeutschen Gemeinden des Komitats Tolnau nach Seksard übersiedelten. Das Ziel der Gründer war die Bewahrung ihrer deutschen Traditionen, die Sammlung und Pflege der deutschen Volkslieder sowie die Weitergabe dieses Kulturerbes an die jüngere Generation. Im Jahr 2004 hat der Chor den Namen „Mondschein“ angenommen und funktioniert seitdem als Verein. Das Motto der Jubiläumsfeier am 5. Oktober war: mit dem allbekannten und beliebten Heimatlied zum Ausdruck zu bringen, dass die heutigen Chormitglieder den ursprünglichen Zielsetzungen treu geblieben sind.
Dr.-Karl-Vargha-Preis an zwei Deutschkindergärtnerinnen verliehen
Der traditionelle Österreich-Tag des Bundes Ungarndeutscher Schulvereine (BUSCH) in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Kulturforum und dem Österreichischen Institut fand am 12. Oktober erfolgreich statt. Diesmal wurde der Dr.-Karl-Vargha-Preis an zwei Kindergärtnerinnen Hedi Csipai-Müller und Katharina Geracsek, geb. Zettisch verliehen. Wir veröffentlichen die Laudationen.
Fünfkirchner Mandelbaum wird Baum des Jahres 2018
Mit 4779 Stimmen wurde der Mandelbaum vom Schneeberg in Fünfkirchen zum Baum des Jahres gewählt. Die Mandelbäume auf dem Schneeberg werden bereits vor 100 Jahren erstmals erwähnt und sind vom Landschaftsbild nicht wegzudenken. Dieses Jahr wurden für den Onlinewettbewerb insgesamt 35 Bäume nominiert, 12 von ihnen haben es ins Finale geschafft. Der Mandelbaum nimmt 2019 automatisch am Wettbewerb „Europäischer Baum des Jahres 2019“ teil.
Konferenz in Budapest: Die vergangenen 100 Jahre der Ungarndeutschen – Gemeinschaften und Nationalitätenpolitik
Die gemeinsame Konferenz des Instituts für Minderheitenforschung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA TK) sowie des Stiftungslehrstuhls für Deutsche Geschichte und Kultur im südöstlichen Mitteleuropa der Universität Fünfkirchen (PTE BTK) lockte viele Interessenten und renommierte Historiker aus dem In- und Ausland. In den Reihen der Zuhörerschaft waren die Vorsitzende der LdU Olivia Schubert, Vertreter von diversen ungarndeutschen Organisationen sowie Zeitzeugen anwesend. Angesetzt wurde bei den 1920er Jahren und durch die Vorträge bekam der Zuhörer eine Übersicht über die die deutsche Minderheit betreffenden historischen, politischen Ereignisse bis hin zu 2014.
Katharina Donovald mit 90 Jahren gestorben
Wir schreiben das Jahr 1953. Nach den Erschütterungen des Zweiten Weltkriegs wurde in Nadasch gerade erst der Harmonikazirkel neu belebt. Durch die damals sehr erfolgreiche Organisierung und Leitung der jungen Pädagogin Anna Gothár geb. Pártai aus Pahl/Nagypall blühte das kulturelle Leben in der Branauer Gemeinde Nadasch/Mecseknádasd allmählich wieder auf. In diese Arbeit wurde eine weitere neue junge Lehrerin mit eingebunden: Katharina Donovald. Sie entstammte einer ungarischen Familie aus Kiskunfélegyháza. Nach der Geburt ihrer Tochter Katalin kam sie 1952 wegen der besseren Lebensumstände nach Transdanubien. Sie bekam eine Stelle als Lehrerin in Nadasch, wo sie von da an bis zu ihrer Pensionierung unterrichtet hat.
Herbstseminar der Jugend Europäischer Volksgruppen in Preßburg – Fortbildung der „Minority Messengers“ im Mittelpunkt
Jugendvertreter aus allen Ecken Europas – unter ihnen drei GJU-Mitglieder – haben sich im Oktober in der slowakischen Hauptstadt Preßburg versammelt, um sich über die Erfahrungen des diesjährigen JEV-Projektes „Minority Messenger“ auszutauschen bzw. die europaweite Zusammenarbeit unter ihren Organisationen zu vertiefen.
Auflösung des Mundart-Preisausschreibens „die Jähn“ (apremerisch) „die Jäne“ (sawederisch und mutschingerisch)
/in Aktuell, Neue Zeitung /von BachDorottyaDie Jähn (die Jäne) ist ein altfuldischer Mundartausdruck aus der Landwirtschaft und leitet sich aus dem Verb: „ja(h)nen“ ab, vgl. Jahn (Deutsches Rechtswörterbuch – DRW). Sie bezeichnet eine bestimmte Landfläche (s. u. „II“ ebenda) und wird somit (vgl. unter „II1“) als der Teil einer bebauten Fläche, den eine Person zur Bestellung oder Aberntung vor sich hat und in einem Gang (siehe Etymologie) erledigt; dann auch „Arbeitspensum“ genannt.
Gedenken an die Vertreibung der Ungarndeutschen in Sachsen
/in Aktuell, Neue Zeitung, NZ /von BachDorottyaMit einer Kranzniederlegung an der Gedenktafel an der Grauen Kaserne wurde am 19. Januar 2025 im sächsischen Pirna an die aus Ungarn vertriebenen Deutschen erinnert.
Gedenkspaziergang und -feier zum 80. Jahrestag der Verschleppung der Deutschen aus Elek
/in Aktuell, Neue Zeitung, Unkategorisiert /von BachDorottyaEin aus vierzig umgebauten Viehwaggons bestehender Zug verließ den Bahnhof Elek am 11. Januar 1945 um 13 Uhr – wie es sich später herausstellte – nach Kriwoi Rog in der Sowjetunion (heute Krywyj Rih in der Ukraine) mit 1903 zur Zwangsarbeit verschleppten arbeitsfähigen Frauen von 17 bis 35 Jahren und Männern von 16 bis 45 Jahren deutscher Abstammung.
Marok: Die Erinnerungen an das „HAUS“ bleiben immer schön
/in Aktuell, Neue Zeitung /von BachDorottyaIch heiße Molnár Lászlóné, geboren als Erzsébet Mancz am 15. Dezember 1940 in Marok (damals Püspökmárok, heute Erdősmárok), einem kleinen ungarndeutschen Dorf im Komitat Branau.
Gala in Komitat Wesprim
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Herbst schenkte uns ein herrliches Wetter mit heiterem Sonnenschein und bunten Blättern, ideal für die Wesprimer Komitatsgala am 12. Oktober in Papa. Zu Anfang zelebrierte Hochwürden Zoltán Tál eine innige deutschsprachige Messe in der Benediktinerkirche im Herzen der Stadt, stilvoll und angemessen auch für die Segnung der Preise, die später verliehen wurden.