Die Martinskapelle in Deutschhütten – eine Kapelle des Friedens

Sankt-Martin-Kapelle Deutschhütten
Die Sankt-Martin-Kapelle im Winter 2018

Die aus Deutschhütten vertriebene Maria Todte feierte am 4. Mai 1995 in ihrem renommierten Jägerhof in Brühl den 60. Geburtstag. Auf persönliche Geschenke verzichtete sie. Stattdessen wollte sie ein Zeichen der Versöhnung setzen. Sie wollte dem kleinen Dorf, das bisher keine Kirche hatte, eine kleine Kapelle stiften. Ende 1995 verfasste Maria Todte ein Schreiben an alle ehemaligen Bewohner von Deutschhütten. Außerdem erfolgte ein Aufruf in „Neue Zeitung“, mit der Bitte, das Vorhaben zu unterstützen. Zu einem 1. Heimattreffen vom 29. Juni bis zum 2. Juli 1996 lud sie nach Deutschhütten ein. 65 Gäste kamen aus allen Ecken Europas, einige sogar aus Kanada und Amerika.

Am 11. April 1997 wurde offiziell die Urkunde über die Stiftung der „Gedenkkapelle“ überreicht. Das Kuratorium besteht aus Maria Todte / sc. Mária Venczl (Vorsitzende), Vilmos Fliegh / sc. Wilhelm Fliegh (stellvertretender Vorsitzender), Alajos Aradi (Beirat, Bürgermeister von Deutschhütten), Josef Wenzel / sc. József Venczel (Beirat) und György Patyi (Beirat). Am 7. Januar 1998 wurde das Eigentumsrecht an der Immobilie, auf der die Kapelle entsteht, erworben. Hier stand die abgebrochene, ehemalige Schulkirche, in der werktags die Kinder unterrichtet und an Sonn- und Feiertagen die hl. Messe gelesen worden waren. In den 1840er Jahren war sie erbaut und 1887 saniert worden.

deutschhütten_einweihung der kapelle_Die Einweihung der Kapelle im Jahr 1998 / Foto: nemetbanya.hu

Die Kapelle wurde Ende Juni 1998 fertig. Der eingeschossige, größtenteils verputzte Bau ruht auf einem Sockel von Natursteinen. Der Eingangsbereich wird durch zwei Säulen mit einfachen Kapitellen herausgehoben. Über ihm wölbt sich ein aus dem Pagodendach herausgehobenes, dreieckiges Tympanon; in das Tympanon eingelassen ist ein Kreuz, umrahmt von drei Wappen (Ungarn, Deutschland, Ungarndeutsche). Darunter stehen drei Jahreszahlen: 1753 erinnert an die Gründung des Dorfes, 1948 an die Vertreibung der Deutschen aus dem Dorf, 1998 an die Einweihung der Kapelle. Beim 2. Heimattreffen in Deutschhütten fand am 28. Juni 1998 die feierliche Einweihung statt. Zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland waren erschienen. Bei strahlendem Sonnenschein vollzog Alterzbischof Dr. József Szendi die Zeremonie. Auch eine Kirchenfahne und eine Gedenktafel, die an die Vertreibung erinnern sollen, wurden eingeweiht.

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Die Innenansicht der Kapelle mit dem Altar / Foto: nemetbanya.hu

Die Ausstattung der Kapelle: Im Zentrum des Chorraums der Kapelle stehen der Altar und der Ambo, einfache Holzkonstruktionen – Geschenke der Gemeinde Deutschhütten. Hinter dem Altar weist das Ewige Licht, von zwei Händen flankiert, auf das katholische Gotteshaus hin – ein Geschenk der Architektin Maria Lohrmann. Zur Feier der hl. Messe kann ein vergoldeter Kelch verwendet werden – ein Geschenk der Pfarrgemeinde Brühl-Pingsdorf. Die Kontinuität zur alten Schulkirche wurde dadurch gewahrt, dass einige Ausstattungsstücke übernommen wurden. Da ist zunächst das Bild des hl. Martin, das heute hinter dem Altar hängt. Dieser Heilige ist ja der Schutzpatron des Dorfes und auch der Kapelle, ja der ganzen Region. Auf dem Bild sieht man die berühmte Mantelteilung. Er war der erste Heilige, der nur aufgrund seines vorbildlichen Lebens zu den Ehren der Altäre erhoben wurde. Gleich zweimal tritt uns Jesus entgegen. Die Figur neben dem Altar stammt aus der alten Schulkirche, die andere wurde von Birgit Todte gestiftet. Die Herz-Jesu-Verehrung war vor allem im 19. Jahrhundert eine weit verbreitete Frömmigkeitsform; 1856 wurde das Fest des Heiligsten Herzens Jesu von Papst Pius XI. als Hochfest in den liturgischen Kalender aufgenommen.

Wie in jedem katholischen Gotteshaus findet sich auch in der Kapelle von Deutschhütten eine Figur der Gottesmutter. Sie stammt aus der alten Schulkirche. Maria tritt uns hier als Madonna, d. h. ohne Kind, entgegen. In der Hand hält sie den Rosenkranz. Die Restaurierung der Figur bezahlte laut Inschrift die Familie Mones aus Hürth-Fischenich. Als weiteres Ausstattungsstück aus der Schulkirche steht der ehemalige Opferstock. Die Kirche verfügt über eine von Familie Josef Wenzel gestiftete Orgel. Vor der Orgelbühne blickt der Gekreuzigte auf die Beter herab. Dieses Kreuz stammt ebenfalls aus der alten Schulkirche. Die Kreuzwegstationen wurden von Josef Heizer, Malermeister und Mitarbeiter der Herender Porzellanfabrik, angefertigt. An einer Seitenwand ist eine Tafel angebracht, die auf die Vertreibung der Deutschen 1948 hinweist. Auch die von Maria Todte gestiftete Kirchenfahne weist auf die Vertreibung hin. Seit 2014 kann der Zelebrant neben dem von der Familie Teng gestifteten Messgewand auf ein weiteres Messgewand zurückgreifen. Margarete Fliegh sind die Altartücher bzw. die Altardecke zu verdanken. Seit 2007 wärmt eine Heizung die Kapelle; sie war auf Initiative der deutschen Botschaft in Ungarn von der Firma Stiebel Eltron kft. gestiftet worden.

nemetbanya-3118-1-lBesonders aufwändig gestaltet sind die von der Familie Todte gestifteten Statuen der vier Evangelisten, die die vier Ecken an der Außenwand der Kapelle schmücken. Sie wurden von Attila Csaák, Bildhauermeister aus Páty, angefertigt. Einen besonderen Akzent erhält die Kirche durch das auf der Kirchturmspitze angebrachte, von Wilhelm Fliegh gearbeitete Kreuz. Im Glockenturm läuten zwei Glocken: die Totenglocke mit ihren „geschlossenen Augen“, die die Dorfbewohner auf ihrem letzten Gang begleitet, sowie die Glocke mit den „offenen Augen“, die an Sonn- und Feiertagen zum Gottesdienst ruft und täglich zur Mittags- und Abendzeit geläutet wird. Einst hingen die Glocken in einem gesonderten Glockenturm, der vor einem Kreuz stand. Beides wurde von Dorfbewohnern gestiftet, die zwischen 1910 und 1925 aufgrund der großen Not nach Amerika auswanderten. Das Kreuz ließ die Familie Todte restaurieren – 2013 wurde es eingeweiht.

Schon bald wird die Kapelle als großartiges Schmuckstück im Dorf, ja im ganzen Komitat Wesprim und weit darüber hinaus gerühmt. Als Raum des Gebets, der Andacht und der Eucharistiefeier ist sie zum geistlichen Zentrum des Dorfes geworden. Immer wieder finden sich auch Gäste aus Deutschland ein; nur auf einige sei hingewiesen. 2002 wurde der 250. Jahrestag der Gründung von Deutschhütten mit einem Gedenkgottesdienst gefeiert. Am 4. Mai 2004 beging Maria Todte hier ihren 70. Geburtstag; auch am 4. Mai 2005 traf man sich wieder. 2008 erinnerte man an den 10. Jahrestag der Einweihung. Maria Todte hat sich nicht nur für den Bau eines Gotteshauses eingesetzt. Die Kapelle soll ein Denkmal für die Ungarndeutschen sein, die das Land urbar gemacht haben. Doch nicht nur das: Sie will eine Kapelle des Friedens sein, des Friedens zwischen Ungarn und Deutschen. Hoffen wir, dass auch kommende Generationen diesen Auftrag verstehen, bewahren und mit Leben füllen.

Maria Todte wurde 2000 als Ehrenbürgerin Deutschhüttens ausgezeichnet. 2001 erhielt sie den „Ehrenpreis der Komitatsgemeinschaft der Ungarndeutschen“ für ihre „hervorragende Tätigkeit für das Ungarndeutschtum im Komitat Wesprim“. Anlässlich ihres 80. Geburtstages veröffentlichten wir einen Beitrag im Deutschen Kalender 2016.

Quelle: Wolfgang Drösser: Die Kapelle des hl. Martin in Deutschhütten (Németbánya) – eine Erinnerung an die Vertreibung im Winter 1948


Aus dem Inhalt

 

Das Jugendblasorchester Sóskút

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In verschiedenen Kulturen zu Hause: 
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Deutsche Messe am Dreikönigstag in Baje

deutsche messe bajeDie erste deutsche Messe des neuen Jahres zelebrierte am Dreikönigstag, am 6. Jänner 2019, Pfarrer Matthias Schindler in der Innenstädtischen Kirche von Baje. Die im Barockstil gebaute Kirche „heiliger Peter und heiliger Paul“ wurde im Jahre 1765 eingeweiht. Hier wird zweiwöchentlich eine deutsche Messe zelebriert. Die Heiligen drei Könige, Caspar, Melchior und Balthasar, die Weisen aus dem Morgenland, wurden durch den Stern vom Bethlehem zu Jesus geführt. Ihr Hochfest ist das Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Jänner.


29. Vorsilvesterfeier der GJU in Wemend – Großes Interesse und hervorragende Organisation

wemend-gjuDas 29. Vorsilvester der Gemeinschaft Junger Ungarndeutscher fand in der Branauer Gemeinde Wemend statt. Der hiesige GJU-Freundeskreis ist der Erfahrenste, wenn es um die Organisation einer der größten ungarndeutschen Jugendveranstaltungen geht. Sie waren schon mehrmals perfekte Gastgeber unserer Jubiläumsveranstaltungen. Aber das jetzige Vorsilvester zählte in vielerlei Hinsicht zu den erfolgreichsten Festen der 29-jährigen GJU-Geschichte.

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