Der unbekannte Görgei
Anlässlich des 200. Geburtstages von Arthur Görgei (1818 – 1916), geboren als Johannes Arthur Woldemár Görgey, zeigt das Ungarische Nationalmuseum in Budapest in Zusammenarbeit von 16 öffentlichen Institutionen und mehreren privaten Leihgebern eine umfangreiche Ausstellung. Insgesamt 416 Kunst- und Multimedia-Objekte, Fotografien, Filme sowie Zeitdokumente wurden ausgewählt, um die Besucher über das Dilemma zu informieren: war der legendäre General und Kriegsminister ein Verräter oder ein Held?
Von uralten zipsersächsischen gräflichen Ahnen abstammend, lebte die Familie Görgey Anfang des 19. Jahrhunderts in Nordungarn, in Toportz, war verarmt, deshalb konnte sie ein Studium des Sohnes nicht bezahlen. Sie musste die kostenlose Offerte einer militärischen Ausbildung annehmen, wie sie in „K.K. Pionier-Schul-Compagnie zu Tulln“ erfolgte. Das Lehrbuch von Carl Johann Stieber „Handbuch des Militär-Geschäfts-Styls für Officiere der k.k. Armee, Wien 1828“ mit der Einschreibung von „Arthur Görgey Lieut.“ aus dem Jahr 1909 war der tägliche Begleiter dieser Zeiten.
Nach den Wiener Leibgardistenjahren diente Görgei unter General Alfred zu Windisch-Grätz als Oberleutnant im 12. Husarenregiment in Oberösterreich und Böhmen. Nach dem Tod seines Vaters studierte er Chemie an der Prager Universität bei Prof. Joseph Redtenbacher. Im Hause seines Lehrers lernte er die französische Gouvernante Adéle Aubouin kennen, die er im März 1848 heiratete. Sie kehrten nach Ungarn zurück, da er aber an der Pester Universität keine Chemikerstelle bekam, meldete er sich in die Honvéd-Armee. Wegen seiner steilen Karriere wurde er „der ungarische Bonaparte“ genannt. Mit 31 Jahren wurde er der jüngste General und nahm von Neusohl über Schwechat bis Temeswar an sieben großen Schlachten des Freiheitskrieges teil, fünf davon führte er selbst. Wie die Lithographie von Vinzenz Katzler darstellt, wurde er in den Kämpfen neben Komorn lebensgefährlich verletzt, überlebte aber. Er wurde Kriegsminister in der Szemere-Regierung und kämpfte solange gegen die österreichische und russische Übermacht, solange es möglich und sinnvoll war.
Nach der Niederlage bei Temeswar am 9. August entschied sich der Ministerrat für die Kapitulation vor den Russen. Kossuth und die meisten Minister der Szemere-Regierung traten zurück und am 11. August beschloss auch der Kriegsrat die Niederstreckung der Waffen. Görgei blieb für zwei Tage bevollmächtigter Diktator und kapitulierte am 13. August vor dem russischen General Rüdiger.
Um sich zu rechtfertigen, publizierte der geflohene Kossuth am 12. September – schon auf türkischem Gebiet – seinen öffentlichen Brief „Die Katastrophe in Ungarn – Originalbericht von Ludwig Kossuth aus Widdin, Leipzig 1849“, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde und die Meinungen gegen Görgei stark beeinflusste. In Klagenfurt interniert schrieb Görgei „Mein Leben und Wirken in Ungarn in den Jahren 1848 und 1849“, was 1852 in Leipzig in zwei Bänden in deutscher Sprache veröffentlicht, in Österreich-Ungarn aber sofort verboten wurde, weil er nicht nur einige seiner ehemaligen Kameraden, sondern auch mehrere kaiserliche Generäle und Politiker scharf kritisierte.
Er durfte erst 1867, nach der Krönung von Franz Joseph, infolge einer Amnestie heimkehren, bekam aber nur kurzfristige, schlecht bezahlte Arbeiten. Er lebte letztendlich auf dem Besitz des Bruders in Plintenburg bis zu seinem späten Tod. Sein Schreibtisch stand in der Pester Wohnung seiner Schwägerin im V. Bezirk, wo er in den Wintermonaten „überlebte“. Sein Briefwechsel mit der Schwägerin berichtet über alltägliche Sorgen. Er konnte sich aber in Bad Pistyan kurieren lassen, reiste ab und zu nach Wien, Dresden und Rom oder besuchte im Pester Opernhaus eine Oratoriumsaufführung. Zeitgenossen verewigten ihn auf Fotos, Ölgemälden, Grafiken, in Bronze- und Marmor-Plastiken. Die Leiche im Totenbett malte Gyula Glatter, die Fotos von János Müllner zeigen die Bahre in der Rotunde des Nationalmuseums, den Sargtransport auf der Haupttreppe und den Trauerzug auf der Ringstraße.
Die jüngsten Forschungen tendieren langsam aber sicher in positive Richtung, sowohl wissenschaftlich als auch politisch und in der öffentlichen Meinung. Zwischen den beiden Weltkriegen und nach der Wende wurden kleinere oder größere Denkmäler in der Hauptstadt, auf dem Lande oder im Ausland ihm gewidmet. Vor dem 200. Jubiläum gab es einen Freilicht-Statue-Wettbewerb für den Plintenburger Rathaushof. Der Gewinner László Szlávics junior komponierte einen Riesenkopf aus rostfreiem Stahl, in futuristisch-dynamischem Stil, frappant halb realistisch-halb abstrakt, der im Jänner 2018 feierlich vor dem Plintenburger Rathaus-Gebäude eingeweiht wurde.
István Wagner
Az ismeretlen Görgei, Magyar Nemzeti Múzeum, Budapest VIII. Múzeum krt. 14-16. Die Ausstellung ist bis zum 23. Juni zu besichtigen. Foto: MNM Történelmi Képcsarnok
Aus dem Inhalt
Wegen dem Karfreitag erschien am 12. April eine Doppelausgabe der Neuen Zeitung auf 40 Seiten. Die nächste Ausgabe der Neuen Zeitung erscheint am 26. April.
Festtag ist heut! – Schorokscharer Tanzensemble feierte 50-jähriges Bestehen
Glanzleistungen der ungarndeutschen Tanzbewegung konnte man beim dreistündigen Jubiläumsprogramm des Schorokscharer Tanzensembles am 23. März im vollbesetzten Pesther Turay-Ida-Theater bewundern. Die Schorokscharer Deutsche Nationalitäten-Tanzgruppe wurde 1967 gegründet und entwickelte sich unter der Leitung des begnadeten Choreographen Nikolaus Manninger (1941 – 2014) zu einem der besten ungarndeutschen Tanzensembles. Seit 1995 sind die hiesigen Tanzgruppen in einem Verein tätig, in dem mehrere Generationen zusammen wirken. Die erwachsene Tanzgruppe, ergänzt mit den Gründungsmitgliedern, die auch beim Jubiläumsfest mitgewirkt haben, wie auch die jüngeren Generationen, die Schwung-Tanzgruppe und die Hoffnung der Zukunft, die Kleinsten in der Gribedli-Tanzgruppe.
Gemeinsames Singen in der Kirche von Feked
Zu den Zielsetzungen des im Jahre 2010 gegründeten Deutschen Schulvereins der Komitate Pest und Naurad gehört auch die Bewahrung der deutschen kirchlichen Traditionen, was auch im Unterricht integriert erscheinen soll. Die Vereinsmitglieder und Gäste, die an unserer Sudienreise teilnehmen, singen bei einem Kirchenbesuch vor dem Altar gemeinsam – meistens Marienlieder. So war es an unserer ersten Exkursion im Jahre 2013 in Deutschpilsen, in der uralten St.-Stephans-Kirche, wo wir bei Kerzenlicht gesungen und ein Vaterunser in deutscher Sprache gebetet haben und auch diesmal, am 6. April, in Feked (Komitat Branau) war es so.
Die Tragödie in Kapana
Es gab einmal im südlichen Teil des Schildgebirges in einem wunderschönen Tal, mitten in Wald einen versteckten Gutshof. Dieser gehörte im Laufe der Zeit zu Hochburg und Lamberg, dann den Meraner Herrschaften. Im Jahre 1790 standen hier 16 Häuser mit 101 Bewohnern. Im Jahr 1945 wohnten in den 16 Häusern 62 Personen. Diese deutschen Familien lebten in Kapana/Kápolnapuszta, ganz nahe zu Gant/Gánt, Jahrhunderte hindurch in Frieden und Harmonie.
Wichtige ungarndeutsche Gedichte – Valeria Koch: Lieber Onkel Goethe
Eine der talentiertesten ungarndeutschen Dichterinnen, Valeria Koch wurde vor 70 Jahren, am 20. April 1949 geboren und starb am 28. Februar 1998. Ihre Gedichte, die wichtige Produkte der ungarndeutschen Literatur sind, stellen Werke einer deutschsprachigen literarischen Tradition dar, die – verständlicherweise und zu Recht – einerseits in der Nachfolge der deutschen Literatur an diese anknüpft, andererseits aber auch auf sehr selbstbewusste Weise ihre eigenen Wege eingeschlagen hat. Eine Bezugnahme auf Deutschland und die deutsche Literatur erfolgt in den Werken der ungarndeutschen Literatur durchaus, so gibt es eine Reihe von Beispielen für Anspielungen und sogar Zitate aus der deutschen Literatur in ihr. Ein sehr prägnantes Beispiel hierfür ist das Gedicht „Lieber Onkel Goethe“ von Valeria Koch.
Auf den Spuren der Deutschen in der Alten Stadt und in Leopoldstadt
Infolge der Magyarisierung und Assimilierung weiß man im Allgemeinen ziemlich wenig über die „deutsche Geschichte“ Budapests. Die Veranstaltung Auf den Spuren der Deutschen in Budapest in der Reihe der Zentrum-Programme im HdU am 27. März startete mit einem Vortrag über die deutschen Stadtbewohner, Straßen, Plätze und Gebäude im Veranstaltungssaal im Haus der Ungarndeutschen, anschließend machten die Teilnehmer einen Spaziergang durch die Alte Stadt (Innenstadt) und Leopoldstadt. István Soós sprach über diese deutschen Spuren. Laut der Volkszählung im Jahre 1851 waren 40,5 Prozent der 90 000 Einwohner von Pesth Deutsche, Anfang der 1890er Jahre nur noch 13 Prozent.
Anton Beck in Sombor verstorben
Am 4. April starb nach kurzer und schwerer Krankheit Anton Beck, Vorsitzender des Nationalrates der deutschen Minderheit in Serbien und langjähriger Vorsitzender des Deutschen Humanitären Vereins „St. Gerhard“ in Sombor, Vojvodina.
Anton Beck wurde am 8. September 1950 in Sombor geboren und hat sich über 20 Jahre hingebungsvoll für die deutsche Minderheit und für grenzüberschreitende Zusammenarbeit der deutschen Minderheiten eingesetzt. Er war Mitglied des Deutschen Nationalrates seit seiner Gründung und dessen Vorsitzender seit 2018.
Kübek – „Das Lebensgefühl!“ – Die Entdeckung eines ziemlich unbekannten schwäbischen Musterdorfes im ungarischen Banat
Ich wäre ganz neugierig zu erfahren, wie viele Leser schon den Ortsnamen Kübek/Kübekháza gehört haben. Man könnte ja denken, das ist wieder ein winziges schwäbisches Dorf am Rande der Welt, in dem fast nichts los ist. Wir haben aber genau das Gegenteil erfahren, auf einem gemeinsamen Tanzseminar, das wir mit unserem Hartianer Freundeskreis in der Gesellschaft von unserem Partnerverein aus Detta, aus dem rumänischen Banat, organisiert haben. Was waren unsere ersten Eindrücke, als wir das kleine Dorf erreicht haben? Es war natürlich ordentlich und präzise gepflegt, woran wir bei einer deutschen Ortschaft schon gewöhnt sind. Aber was uns noch auf den ersten Augenblick aufgefallen ist, war die Zweisprachigkeit, die das ganze Dorfbild prägt.
„Unsre Musik“ – LdU übernimmt Schirmherrschaft für das traditionelle ungarndeutsche Blasmusikkonzert im Kodály-Zentrum Fünfkirchen
„Unsre Musik“ – diesen Titel trägt ein besonderes Blasmusikkonzert der „Alte Kameraden“-Blaskapelle aus Nadasch, das am 11. Mai ab 17 Uhr im Kodály-Zentrum Fünfkirchen stattfinden wird. Die Aufführung kam noch im Jahre 2016 bezüglich einer Ausschreibung des Hauses der Traditionen namens „Meister und Lehrlinge“ zustande, und zwar mit dem Ziel, zum Erhalt der allmählich schwindenden bäuerlichen Kultur und Traditionen beizutragen.
Marok: Die Erinnerungen an das „HAUS“ bleiben immer schön
/in Aktuell, Neue Zeitung /von BachDorottyaIch heiße Molnár Lászlóné, geboren als Erzsébet Mancz am 15. Dezember 1940 in Marok (damals Püspökmárok, heute Erdősmárok), einem kleinen ungarndeutschen Dorf im Komitat Branau.
Gala in Komitat Wesprim
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Herbst schenkte uns ein herrliches Wetter mit heiterem Sonnenschein und bunten Blättern, ideal für die Wesprimer Komitatsgala am 12. Oktober in Papa. Zu Anfang zelebrierte Hochwürden Zoltán Tál eine innige deutschsprachige Messe in der Benediktinerkirche im Herzen der Stadt, stilvoll und angemessen auch für die Segnung der Preise, die später verliehen wurden.
„Sag beim Abschied leise Servus“ Trauer um einen Stimmkollegen
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDen Ferenc-Faluhelyi-Preis der Stadt Fünfkirchen hat Johann Ritter nicht mehr persönlich entgegennehmen können. Seinen 68. Geburtstag hat er noch erlebt, doch am 11. September 2024 hat er für immer die Augen geschlossen.
Ein hervorragender Klarinettist, der die ungarndeutsche Blasmusik in ihren einzelnen Schwingungen authentisch erklingen ließ – von ihm müssen wir uns nun verabschieden.
„Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Verband der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltungen der Tolnau hat den diesjährigen Niveaupreis „Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller verliehen. Die Auszeichnung wurde beim Komitatstag am 2. September im Mihály-Babits-Kulturzentrum in Seksard vom Vorsitzenden der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltung der Tolnau, Georg Féhr, und vom Ehrenvorsitzenden des Verbandes der Deutschen Selbstverwaltungen der Tolnau e.V., Dr. Michael Józan-Jilling, überreicht.
300 Jahre entlang der Donau – Deutsches Jugendcamp in Ulm
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDie Deutsche Selbstverwaltung Gereschlak hat mit einem Antrag an den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter eine Förderung von 1,5 Millionen Forint für ein deutsches Nationalitätencamp gewonnen. Das Ziel war, ein besonderes Jugendcamp mit ungarndeutschem Hintergrund in Ulm zu organisieren, um auf diese Weise der 300-jährigen Ansiedlung der Deutschen in Ungarn zu gedenken. In Ulm und Umgebung haben wir Fahrradtouren unternommen, um die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf die Geschichte aufmerksam zu machen. Wir haben auch aus Gereschlak und Umgebung vertriebene Deutsche in und um Ulm besucht.