„Das Dorf, wo am Straßenrand die Kirschen blühen“

Neudörfl/Újbarok liegt am Fuße des Schildgebirges, zwischen Totiser Kolonie und Witschke, etwa 40 km von Budapest entfernt. Kindergarten und Schule gibt es in Neudörfl nicht, die Kinder besuchen die Bildungseinrichtungen im nahe gelegenen Saar. Neudörfl bildet mit Saar gemeinsam ein Kreisnotariat. Die Zahl der Einwohner beträgt etwa 400, um die 50 Prozent von ihnen gehören zur deutschen Minderheit. Die NZ war zu Besuch.
Die Hauptstraße von Neudörfl

Die Deutsche Nationalitätenselbstverwaltung Neudörfl wurde 1994 gewählt. Die Gründungsmitglieder waren Erzsébet Vindics-Kreidl, Katalin Metzger-Speier und Antal Pats. Heute sind drei Abgeordnete tätig: Katalin Metzger-Speier, Zsuzsanna Földházi-Drexler und Viktória Nagy. Sie können sich auf viele aktive Helfer stützen. „Es ist für die hiesigen Ungarndeutschen lebenswichtig, dass die deutsche Selbstverwaltung Programme organisiert und so die Feste und Bräuche am Leben hält. Das Dorf ist einerseits von der starken Abwanderung betroffen, da viele junge Leute ins Ausland wegziehen, andererseits sind die wenigen, die hier bleiben, schwer zu motivieren, an traditionspflegenden Programmen teilzunehmen“, schildert Abgeordnete Viktória Nagy den aktuellen Stand der Dinge.
Die DNSV bietet nicht nur den Einwohnern, sondern auch Touristen im ganzen Jahr unterschiedliche Programme. Das Jahr beginnt mit der Gedenkveranstaltung der Vertreibung im Januar. Aus Neudörfl wurden nach dem Zweiten Weltkrieg etwa 220 Ungarndeutsche nach Deutschland vertrieben. Die Nachkommen der Heimatvertriebenen kommen gerne nach Neudörfl. Einige haben sogar die ehemaligen Wohnhäuser ihrer Familien oder andere Immobilien gekauft. Auch an den Veranstaltungen nehmen die deutschen Familien gerne teil, es haben sich mit der Zeit auch familiäre Freundschaftsbeziehungen mit den Neudörflern herausgebildet. Offizielle Partnerschaften mit Gemeinden in Deutschland hat Neudörfl keine. Im Dorf gibt es eine römisch-katholische Kirche, die 1887 eingeweiht wurde. Deutschsprachige Messen gibt es keine. Das Heimatmuseum des Dorfes wurde von der örtlichen Selbstverwaltung und der Deutschen Selbstverwaltung 2009 gemeinsam gekauft, es ist ein ortstypisches Bauernhaus. Davor gab es sechs Jahre lang nur eine Heimatstube. Die ausgestellten Gegenstände sind Spenden der Einwohner. Im Heimatmuseum kann man auch übernachten, und es soll in Zukunft auch um einen Stall erweitert werden, wo später Werkzeuge und Geräte ihren Platz bekommen.
Koch-und BackwettbewerbDas Sankt-Iwan-Feuerfest im Sommer mit Musik-, Koch- und Backwettbewerb gehört zu den meist besuchten Veranstaltungen des Dorfes. Jung und alt ist am Kochen und Backen, verbringt viel Zeit miteinander und amüsiert sich prächtig. Auch einige aus Saar kommen nach Neudörfl, um an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Im Herbst wurde letztes Jahr ein Weinlesefest mit Umzug veranstaltet, mit Kulturgruppen aus der Umgebung. Seit Jahren gibt es zu dieser Zeit auch verschiedene Möglichkeiten, sich zu amüsieren: Das September- und das Oktoberfest waren besonders erfolgreich. Im Winter wird eine Sülzparty veranstaltet – die Bewohner versammeln sich und es wird gemeinsam gegessen und getanzt. Es wurde früher auch geschlachtet, aber die letzten zwei Partys vergingen „ohne Blut“. Für die Senioren weckt es schöne Erinnerungen an früher, für die jungen Menschen ist es sehr aufschlussreich. Das Adventskonzert in der Kirche und das Christkindlspiel runden das Jahr ab. Die Schule ist in staatlicher Trägerschaft, der Kindergarten wird von Neudörfl und Saar gemeinsam finanziert.

Essen auf Rädern - Kleinbus bekommenDas Projekt „Essen auf Rädern“ wurde gemeinsam vollzogen und die beiden Deutschen Selbstverwaltungen organisieren gemeinsame Ausflüge für die Bewohner. Sie sind immer mit vollen Bussen im Inland unterwegs: letztes Jahr haben sie Hajosch und das Komitat Naurad besucht. Ziel dieser Ausflüge ist zu sehen, wie andere deutsche Selbstverwaltungen arbeiten, was für Programme sie haben und wie sie diese abwickeln. Auch in Gereschlak (Branau) waren sie vor einigen Jahren zu Gast, das Dampfknödelfestival und das kleine Dorf haben den Neudörflern ganz gut gefallen. Über ihre Programme kann man sich auf der Facebook-Seite der DNSV Neudörfl ständig informieren. Eine weitere Anziehungskraft von Neudörfl stellt die Hauptstraße dar. Gesetzlich angeordnet dürfen auf der Hauptstraße nur Kirschbäume gepflanzt werden. Es duftet da im Frühjahr herrlich nach Kirschblüten, und die leckeren Früchte kommen schließlich beim Backwettbewerb im Sommer zum Einsatz. In der Umgebung des Dorfes blüht auch jedes Frühjahr das Federgras, das die ganze Gegend schmückt und viele Touristen anlockt.
Die Deutsche Nationalitätenselbstverwaltung verfügt über eigene Bücher, Inhalte lieferten dazu die Einwohner, aber es wurden auch Diplomarbeiten über die Sitten und Bräuche geschrieben. Die Geschichte und die Familiengeschichten vor dem Krieg wurden ebenfalls mit einem reichen Fotomaterial der Einwohner festgehalten. Im Kulturhaus sind die Fotos ständig zu besichtigen und das Fotoalbum bei der DNSV zu kaufen.
Was die Zukunftspläne der DNSV anbelangt, sollen die Bauarbeiten am Heimatmuseum dieses Jahr abgeschlossen werden und die Inhalte für einen ungarndeutschen Lehrpfad werden zurzeit auch zusammengestellt. Die Idee, etwas Ähnliches anzulegen, hat es bereits früher schon gegeben, die entsprechenden finanziellen Mittel fehlten aber bisher. Dank der Ausschreibung der LdU kann sich die DNSV Neudörfl bewerben.

GS

Aus dem Inhalt

„Gestern – Heute – Morgen“ – VUdAK-Jubiläumsausstellungsreihe in Fünfkirchen gestartet

„Gestern – Heute – Morgen“ – diesen Titel trägt die länderübergreifende Ausstellungsreihe, die VUdAK-Künstler dem 25. Jubiläum des Bestehens ihrer Organisation widmeten, und die zwischen März und November in sechs Großstädten dreier Länder präsentiert wird. Die erste Vernissage fand am 2. März im Lenau-Haus, in der Begegnungsstätte der Ungarndeutschen in Fünfkirchen, statt. Nach beeindruckendem musikalischem Auftakt durch die traditionsreiche „Alte Kameraden“-Blaskapelle aus Nadasch führte Verbandsvorsitzender Johann Schuth in die Geschichte von VUdAK ein: „Am 12. Februar 1992 ist der Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler als eingetragener Verein entstanden. In VUdAK arbeiten namhafte bildende und schreibende Künstler zusammen, publizieren, befruchten einander schöpferisch, und lassen durch Lesungen, Ausstellungen und Musik Gesamtkunstwerke entstehen, durch die die ungarndeutsche Kulturszene bereichert wird. VUdAK erwarb sich sowohl in Ungarn als auch im deutschsprachigen Raum und bei den deutschen Minderheiten einen guten Ruf.“

 

Traditionspflege auch bei schlechtem Wetter: Hutzelrad-Rollen in Altglashütten

In Altglashütten/Óbánya hält sich noch die alte ungarndeutsche Tradition, am ersten Sonntag der Karwoche – dem Hutzelsonntag – das Hutzelrad vom Winterberg ins Tal zu rollen. Dieser Brauch diente laut Volksglauben dazu, feststellen zu können, wo die Ernte im Jahr besser wird. Die Rollrichtung des Hutzelrades ist dabei der Wegweiser. Die Tradition wurde womöglich von den im 18. Jahrhundert nach Altglashütte gesiedelten Deutschen aus der Urheimat mitgebracht und bis in die 1970er Jahre ununterbrochen ausgeübt. Danach trat eine längere Pause ein. Die Tradition des Hutzelrad-Rollens wurde erst 2001 von der Deutschen Nationalitätenselbstverwaltung Altglashütte wieder ins Leben gerufen.

Budapest-Hommage – Ilse gestattet sich „ein freies Spiel“

Fotoalben werden heutzutage durch Fotobücher verdrängt: individuell gestaltet, mit eigener Text- und Fotoauswahl sind sie ein Renner. Ob Hochzeitsfotos, Geschenke der Enkelkinder für ihre Großeltern oder Urlaubserinnerungen, die Hauptsache ist wie auch bei den Fotoalben, den besonderen Moment festzuhalten. Und der besondere Moment beginnt mit dem Fingerspitzengefühl für Details, wie dies die zwei Budapest-Bände Ilse Hehns bezeugen. Obwohl die Künstlerin (Autorin und bildende Künstlerin) nur einige Tage in Budapest verbrachte, wird dem Betrachter der besondere Blick der Künstlerin auffallen.

 

Chancen nutzen, Zukunft gestalten – Die duale Berufsausbildung in Ulm steht noch allen offen

Unter Dutzenden von Berufen wählen, lernen und dabei auch noch Geld verdienen, und gute Karrieremöglichkeiten in Ungarn oder in Deutschland – wahrlich die Chance fürs Leben. Das von der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU) und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm durchgeführte duale Ausbildungsprojekt für Schülerinnen und Schüler der ungarndeutschen Mittelschulen läuft seit drei Jahren. Die Nachfrage ist groß, aber die Entscheidung über ein Stipendium im Ausland fällt weder jungen Menschen noch ihren Eltern leicht. Um den Entschluss zu erleichtern, berichtete am 20. und 21. Februar am Ungarndeutschen Bildungszentrum in Baje und im Valeria-Koch-Bildungszentrum in Fünfkirchen eine Azubi aus Budapest über ihre bisherige Lehrzeit in Ulm, und Mitarbeiter der IHK warben um neue Kandidaten aus Ungarn.

Fasching is’ go(a)r, wer’s ned glaubt,  der is’ a’ Narr

Die GJU-Freundeskreise haben sich von der Faschingszeit verabschiedet. Der Verein Junger Haraster Schwaben und der Freundeskreis schwäbischer Jugendlicher bzw. die Lochberg-Tanzgruppe berichten über ihre Faschingserlebnisse bzw. wie sie von der freudenreichsten Zeit des Jahres Abschied genommen haben.

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