Im Forschungszentrum für Sozialwissenschaften (Társadalomtudományi Kutatóközpont) in Budapest wurde ein Studienband zu hundert Jahre Ungarndeutsche zusammengestellt, der vom Verlag Argumentum herausgegeben wurde*.
Der Band beinhaltet 11 wissenschaftliche Studien. Der Aufsatz von Franz Eiler gibt eine Übersicht über die Minderheitenpolitik Ungarns von 1918 bis zur Wende 1989 und eine gute Zusammenfassung der schwerpunktmäßigen Themen der Minderheitenpolitik, den Wandel der staatlichen Politik und der Organisationen der Deutschen. In zeitlicher Reihenfolge kommen dann Studien zu verschiedenen Themen der Minderheitenpolitik in diesen 100 Jahren.
Über die Einstellung der Lokalbehörden gegenüber den Bestrebungen der deutschen Minderheit in der Zwischenkriegszeit schreibt Réka Marchut. Man findet eine Erklärung dafür, was man bereits in Dokumenten, in Quellenbearbeitungen wahrnehmen konnte, wie und warum die lokalen Behörden (Vizegespan, Notäre usw.) oft trotz dem Willen der Regierung gegen die Mobilisierung der deutschen Minderheit einschritten.
In zwei Studien wird die Beziehung der katholischen Kirche zu den Deutschen in der Zwischenkriegszeit behandelt. Andreas Grósz’ Recherchen nach Originalkorrespondenzen schattieren die Einstellung des Oberpriestertums und der örtlichen Pfarrer zum Ungarländischen Deutschen Fortbildungsverein sowie zum Volksbund der Deutschen in Ungarn. János Bednárik stellt durch Beispiele zweier Pfarrer ungarndeutscher Herkunft aus dem Ofner Bergland das Verhältnis der Pfarrer zur Vertreibung dar.
Der muttersprachliche Unterricht der Nationalitäten bleibt immer ein Reizthema, oft als wichtigster Grund des Untergangs der Deutschen in Ungarn betrachtet. Péter Ferenc Somlai analysiert durch Bespiele von Ortschaften im Ofner Bergland die Tendenzen und Gesichtspunkte zu den wechselnden Formen des Nationalitätenschulsystems der Zwischenkriegszeit.
Norbert Spannenberger fasst die Formen der politischen Mobilisierung der Deutschen zwischen 1920 und 1945 zusammen, was waren die Erwartungen und die gestellten Grenzen der Regierung und mit welchen Mitteln, Parolen und Methoden konnte man die Deutschen für die Ziele der deutschen Organisationen gewinnen.
Die erfolgreiche politische Mobilisierung führt über die Jugend, wenn man große Massen für seine Ziele gewinnen will. Wie und mit welchem Ergebnis das im Volksbund der Deutschen in Ungarn gelang, wie man die bis dahin apolitischen, wirtschaftszentrischen deutschen Gemeinschaften durch die Jugend aktivieren konnte, darüber berichtet Zsolt Vitári in seiner Studie.
Beate Márkus versucht in ihrem Aufsatz klar zu machen, nach welchen Kriterien man am Ende des Zweiten Weltkrieges in verschiedenen von Ungarndeutschen bewohnten Regionen bestimmte, was unter „deutscher Herkunft” bei der Zusammenstellung der Listen der zu „malenkij robot“ zu Verschleppenden zu verstehen war. Das Ergebnis ist niederschmetternd, aber nicht überraschend: es war keine einheitliche Bestimmung, wer verschleppt werden sollte, oft spielten sogar persönliche Diskrepanzen dabei mit, wer auf eine solche Liste – manchmal sogar Madjaren – kam.
Zwei Studien führen uns in die kommunistische Zeit. Ágnes Tóth schildert dem Leser durch Vorstellung persönlicher schwerer Schicksale, wie die Regierung nach der Vertreibung der Deutschen und der Heimkehr der Verschleppten und der Kriegsgefangenen der Familienvereinigung im Wege stand. Solche Fälle kamen in großen Maßen vor und es ist klar zu sehen, dass eine eventuelle Familienzusammenführung in Ungarn mit allen Mitteln – trotz positiver Einstellung sogar der kommunistischen DDR – verhindert werden sollte.
Es kam die Zeit der relativen Konsolidation, als sowohl die Vertriebenen nach Ungarn als auch die Heimatverbliebenen zu ihren Verwandten in die BRD zu Besuch fahren durften. Dahinter versteckte sich aber die Staatssicherheit, die ihren Kampf gegen die „äußeren Feinde“ mit heimlicher Beobachtung der Besucher aus Deutschland und mit Spitzelberichten der vom Deutschlandbesuch Heimgekehrten führte. Wie stark der kleinherzige menschliche Neid war, dafür sehen wir traurige Beispiele im Aufsatz von Krisztina Slachta.
Und damit sind wir in der neuesten Epoche des Deutschtums in Ungarn. Nach der Wende entwickelte sich langsam eine neue Minderheitenpolitik heraus. Mit welchen Stufen, Richtlinien sowie welchen Erfolgen und Misserfolgen der heutige Stand erreicht wurde, erfahren wir aus der zusammenfassenden Studie von Balázs Dobos.
Kornel Pencz
*Eiler Ferenc és Tóth Ágnes (red.): A magyarországi németek elmúlt 100 éve – Nemzetiségpolitika és helyi közösségek Budapest, Argumentum S. 311
Foto: Ludwig Grund/zentrum.hu
Aus dem Inhalt
Museum des Jahres 2020
Das Wuderscher Jakob-Bleyer-Heimatmuseum erhielt nach Erlangung des Titels „Heimatmuseum des Jahres 2018“ vor zwei Jahren, nun am 09. Oktober den Landespreis „Museum des Jahres 2020“. Die von der Pulszky-Gesellschaft 1996 gegründete Anerkennung kann anhand umfangreicher Analysen von musealen Institutionen errungen werden. Nachdem das Preisgericht die Entwicklung der jeweiligen Institutionen im vergangenen Jahr beurteilt hat, werden die Ergebnisse verglichen und der Preis vergeben.
Deutscher Soldatenfriedhof Ödenburg 25 Jahre alt
Der deutsche Soldatenfriedhof in Ödenburg wurde am 22. Juli 1995 eingeweiht. Hier liegen 600 deutsche Gefallene des Zweiten Weltkrieges. Die ganze Anlage wurde 1914 von der österreichischen Armee angelegt, wo heute ca. 2000 k.u.k. Gefallene des Ersten Weltkrieges ruhen. Anlässlich des 25. Jahrestages der Eröffnung des deutschen Soldatenfriedhofes fand am 8. Oktober eine Gedenkveranstaltung statt.
Geburtstag, Namensgebung und Erntedankfest
An einem sonnigen Samstagnachmittag erklangen von der Freilichtbühne in Bonnhard bekannte Blasmusikmelodien, die Zuschauerreihen füllten sich mit festlich gekleideten Menschen – viele von ihnen in Volkstracht und mit Schutzmaske. Die Aufschrift an der Bühne informierte: Hier wird das 40jährige Bestehen des Deutschen Chors gefeiert. Begrüßt wurden Jubilar und Gäste von der 26-köpfigen ungarndeutschen Feuerwehrblaskapelle Nadasch unter der Leitung von József Wagner, Lehrer an der Musikschule in Petschwar. Die Redner würdigten die vergangenen 40 Jahre vom Chor des Deutschen Kulturvereins, sprachen über harte Arbeit, Reisen praktisch durch ganz Europa, die Traditionspflege und über die Erfolge des Chors.
Der ungarndeutsche Fußballer Johann Ehl wurde 80
Riesa: Gerade mal sechs Jahre war Johann Ehl, als seine Familie aus der Schomodei, nachdem sie enteignet worden war, im Viehwaggon in die Ostzone vertrieben wurde. Sie landete über die Graue Kaserne in Pirna im kleinen Ort Heyda bei Riesa. Im Fußball fand er seine Lieblingsbeschäftigung. Er begann im Ort, aber die Späher wurden auf den nur 1,65 m großen Blondschopf aufmerksam.
Weinkeller und Schnapsbrennerei
Auf dem Kellerberg in Solt liegen die Weingärten der Kleinstadt, wo die Familien ihr Obst und ihren Wein anbauen, die Ernte verarbeiten und die fertigen Getränke lagern. Der Kellerberg ist auch Ort von Zusammenkünften und Familienfeiern. Hier hat János Kovács seinen Weinkeller und seine Schnapsbrennerei. Seine Familie stammt aus dem Nachbardorf Hartau. Die Mutter ist in ungarndeutscher Umgebung aufgewachsen. Das zeigte sich in der „Hartauer Sproch“, in den Gerichten, den Bräuchen und der Mentalität. Der Vater war Ungar. Deutsch kann János Kovács gut und seine Neigung zur Gastronomie kommt als väterliches Erbe hinzu.
Anerkennung der deutschen Sprache in Slowenien als Minderheitensprache empfohlen
Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, begrüßt die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarats an die Republik Slowenien, Deutsch als offizielle Minderheitensprache anzuerkennen und den Schutz der Sprache zu verbessern. Dazu soll ein Dialog mit den Sprechern aufgenommen werden, Bildungsmodelle erarbeitet und Deutsch vermehrt medial verbreitet werden.
Volkskundeseminar der Hartianer Jugendlichen in Kübek
Der Freundeskreis Schwäbischer Jugendlicher in Hartian hatte für das erste Oktoberwochenende ein Volkskundeseminar im „ungarischen Banat“ organisiert. Die volkskundliche Weiterbildung war ursprünglich mit ihrem Dettaer Partnerverein aus dem rumänischen Banat geplant, sie durften aber aus den bekannten Gründen leider nicht in das Land einreisen. Trotzdem fand das Programm mit der Teilnahme von 15 Hartianer Jugendlichen statt.
Marok: Die Erinnerungen an das „HAUS“ bleiben immer schön
/in Aktuell, Neue Zeitung /von BachDorottyaIch heiße Molnár Lászlóné, geboren als Erzsébet Mancz am 15. Dezember 1940 in Marok (damals Püspökmárok, heute Erdősmárok), einem kleinen ungarndeutschen Dorf im Komitat Branau.
Gala in Komitat Wesprim
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Herbst schenkte uns ein herrliches Wetter mit heiterem Sonnenschein und bunten Blättern, ideal für die Wesprimer Komitatsgala am 12. Oktober in Papa. Zu Anfang zelebrierte Hochwürden Zoltán Tál eine innige deutschsprachige Messe in der Benediktinerkirche im Herzen der Stadt, stilvoll und angemessen auch für die Segnung der Preise, die später verliehen wurden.
„Sag beim Abschied leise Servus“ Trauer um einen Stimmkollegen
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDen Ferenc-Faluhelyi-Preis der Stadt Fünfkirchen hat Johann Ritter nicht mehr persönlich entgegennehmen können. Seinen 68. Geburtstag hat er noch erlebt, doch am 11. September 2024 hat er für immer die Augen geschlossen.
Ein hervorragender Klarinettist, der die ungarndeutsche Blasmusik in ihren einzelnen Schwingungen authentisch erklingen ließ – von ihm müssen wir uns nun verabschieden.
„Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDer Verband der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltungen der Tolnau hat den diesjährigen Niveaupreis „Für das Ungarndeutschtum in der Tolnau“ an Georg Müller verliehen. Die Auszeichnung wurde beim Komitatstag am 2. September im Mihály-Babits-Kulturzentrum in Seksard vom Vorsitzenden der Deutschen Nationalitäten-Selbstverwaltung der Tolnau, Georg Féhr, und vom Ehrenvorsitzenden des Verbandes der Deutschen Selbstverwaltungen der Tolnau e.V., Dr. Michael Józan-Jilling, überreicht.
300 Jahre entlang der Donau – Deutsches Jugendcamp in Ulm
/in Aktuell, Neue Zeitung /von retipeterDie Deutsche Selbstverwaltung Gereschlak hat mit einem Antrag an den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter eine Förderung von 1,5 Millionen Forint für ein deutsches Nationalitätencamp gewonnen. Das Ziel war, ein besonderes Jugendcamp mit ungarndeutschem Hintergrund in Ulm zu organisieren, um auf diese Weise der 300-jährigen Ansiedlung der Deutschen in Ungarn zu gedenken. In Ulm und Umgebung haben wir Fahrradtouren unternommen, um die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf die Geschichte aufmerksam zu machen. Wir haben auch aus Gereschlak und Umgebung vertriebene Deutsche in und um Ulm besucht.