oedenburgerland_wandorfplan

Einmaliges Projekt: die Ortspläne von Agendorf und Wandorf

In den Jahren um 1946 wurden 14-15 Millionen Deutsche aus Osteuropa vertrieben, umgesiedelt oder sind geflüchtet. Allein aus der Stadt Ödenburg wurden in den Monaten April bis Mai 1946 ca. 7.000 Ungarndeutsche vertrieben. Weit mehr als 70 Jahre ist das nun her, es wurde schon einiges darüber geschrieben und veröffentlicht und nach wie vor wird jedes Jahr in Ödenburg und Umgebung durch Gedenkfeiern an diese Ereignisse erinnert.

Wir betreiben eine Webseite, www.oedenburgerland.de, die sich auch mit diesem Thema beschäftigt. Hauptsächlich um Ödenburg und seine Stadtdörfer geht es dort, um die bewegte Geschichte, aber auch um die Menschen – damals und heute. Bei all der interessanten Geschichte blieb aber vordergründig immer die eine Frage offen: Was ist aus den vertriebenen Menschen geworden? Wie ist es ihnen ergangen? Wo haben diese Menschen früher gewohnt? Wo sind sie hingekommen? Wo leben sie heute? Wer ist im Dorf geblieben?

Das sind die Fragen, die uns immer wieder gestellt werden – oft von den Vertriebenen selbst, die nach Verwandten suchen. Mittlerweile aber kommen diese Fragen schon von den Nachfahren der Vertriebenen. Da hat vielleicht die Großmutter erzählt von ihrer Jugend in einem Dorf in Ungarn und die Enkel und Urenkel werden neugierig und möchten mehr darüber erfahren. Doch von wem können diese Fragen beantwortet werden, vor allem dann, wenn die Zeitzeugen gar nicht mehr leben?

Um dieses Wissen zu konservieren und weiterzugeben – auch nach mehr als 70 Jahren –, haben wir uns im Jahr 2007 dazu entschlossen, ein einmaliges Projekt zu starten: die Ortspläne von Agendorf/Ágfalva und Wandorf/Sopronbánfalva. Wir wollten eine Art Straßenkarte des Dorfes haben – digital –, auf der jeder nachsehen kann, wie das Dorf im Jahr 1946 ausgesehen hat, welche Familie in welchem Haus gewohnt hat – bestenfalls noch mit Fotos –, damit man sich auch ein Bild von Häusern und Menschen machen kann.

Unsere Idee wurde belächelt: Wer sollte das alles noch wissen, wie das im Jahr 1946 war? Immerhin hatte Wandorf in diesem Jahr rund 3.700 Einwohner, Agendorf ca. 3.000 Einwohner. Es sei unmöglich, das alles zu recherchieren – so sagte man uns.

Aber dann hat uns ein aus Agendorf Vertriebener, Michael Böhm sen. aus Schefflenz, einen von ihm selbst gezeichneten Plan seines Dorfes gezeigt. Dort hatte er alles aus seinem Gedächtnis aufgemalt und bei den Häusern dazugeschrieben, wer darin gewohnt hat. Magister Michael Floiger aus Loipersbach nutzte diese Basis und begann die Digitalisierung der Daten; das war ein Anfang!

Wir begannen also im Jahr 2007 mit der technischen Umsetzung, mit der Digitalisierung dieses vereinfachten, schematischen Agendorfer Ortsplans, mit der Integration in unsere bereits bestehende Webseite www.oedenburgerland.de. Dieser erste Plan hat gezeigt, dass es doch möglich ist, und er hat vieles ausgelöst. So hat Ludwig Müllner, ein Vertriebener aus Wandorf, gesagt, dass er auch einen Plan zeichnen könnte von dem Teil seines Dorfes, in dem er seine Jugend verbracht hatte. Er war der Meinung, dass es nicht möglich sei, ganz Wandorf zu zeichnen und zu recherchieren, aber den kleinen Teil, in dem er selbst gelebt hatte – man nannte ihn „Neulundendorf“ –, den würde er sicher darstellen können. Mit viel Enthusiasmus und Herzblut machte er sich ans Werk und wurde unterstützt von Matthias Gritsch, einem der wenigen Wandorfer, die nicht vertrieben wurden; sie zeichneten, recherchierten und sprachen mit Freunden und Bekannten. So kam – nach jahrelanger Arbeit – tatsächlich ein Teilplan von Wandorf zustande. Die technische Umsetzung auf der Webseite übernahm Thorsten Söder.

Nachdem also klar war, dass Wandorf nun teilweise fertig war, wollte Matthias Gritsch gleich weiterarbeiten und die restlichen Straßen und Häuser auch noch erfassen, doch Ludwig Müllner schüttelte zweifelnd den Kopf. Wir konnten ihn mit unserer Begeisterung für das Projekt aber doch mitreißen, und so begannen die Arbeiten – nach Agendorf und Neulundendorf sollte nun ganz Wandorf mit in den Ortsplan aufgenommen werden.

Sehr viel Mühe, Arbeit und Kraft wurden investiert, Ludwig und Matthias diskutierten, recherchierten und telefonierten mit den Landsleuten in Ungarn, Deutschland und anderen Ländern: Wo hast du gewohnt, wer hat mit euch im Haus gelebt, wo stand euer Haus, wer waren eure Nachbarn, wo sind sie hingekommen nach der Vertreibung? Mehrmals die Woche – über Jahre hinweg – haben die beiden in Videokonferenzen zwischen Ungarn und Deutschland diesen Plan immer weiter perfektioniert. Die jahrelange Arbeit hat sich am Ende ausgezahlt – der Plan wurde besser und besser, immer mehr Bewohner konnten wir – mit Geburtsdaten – eintragen und so manches Haus, an das man schon nicht mehr gedacht hatte, kam noch hinzu.

Der Plan ging schließlich am 11. 10. 2013 online – am 84. Geburtstag von Ludwig Müllner. Er ist sehr erfolgreich, die „Klickzahlen“ sprechen für sich. Oft bekommen wir Mails, es bedanken sich Leser, die in diesem Plan das Haus der Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern gefunden haben. Und es bedanken sich auch Leute, die in ihrer Ahnenforschung einen Schritt weitergekommen sind. Manche schicken uns ergänzende Daten und oft auch Bilder von ihren Vorfahren zu, mit denen wir den Plan ergänzen können. Diese Daten und Bilder kommen aus der ganzen Welt – hauptsächlich aus Deutschland, aber auch aus Österreich und Ungarn, aus der Schweiz, Frankreich, aus den USA und aus Australien. So weit ist dieses ehemals kleine Dorf in Westungarn nun verstreut – und dennoch gibt es überall Menschen, die sich daran erinnern und dann im Internet auf diesen Plan stoßen.

Am 15. 10. 2017 schließlich wurde die Überarbeitung des ersten Agendorfplanes abgeschlossen, angelehnt an die modernere Programmierung des Wandorfplanes basiert nun auch dieser Plan auf tatsächlichem Kartenmaterial, Vergangenheit ist die ältere, schematische Darstellung, die ihre Ursprünge noch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte.

Und die Arbeit ist auch zweieinhalb Jahre nach der Veröffentlichung der 2. Fassung des Agendorfplanes nicht vorbei. Inzwischen versuchen wir von jedem Bewohner von Agendorf und Wandorf des Jahres 1946 ein Foto in den Plan zu integrieren. So sind inzwischen fast 300 Personen in Agendorf und über 1.000 Einwohner von Wandorf nicht nur namentlich erwähnt, sondern auch mit einem Foto zu finden.

Unseres Wissens nach hat kein anderes Dorf eine solch lückenlose und digitale Dokumentation wie Wandorf und Agendorf – das sind einmalige Dokumente! Schauen Sie sich die Pläne einmal an, fahren Sie mit der Maus virtuell die Straßen entlang, stoppen sie an den Häusern – es klappt ein Kästchen auf und Sie sehen alle Einwohner des Hauses – oft mit Foto. Erforschen Sie das Dorf und machen Sie sich ein Bild, wie es einmal war, im Jahr 1946. Und vielleicht finden Sie auch Bekannte, Vorfahren oder Freunde? Vielleicht können Sie auch noch ein fehlendes Bild einer Ihrer Vorfahren beisteuern oder das Foto eines alten Hauses, das heute schon gar nicht mehr steht? Wir würden uns freuen, von Ihnen zu hören!

URL Wandorfplan: http://plan.wandorf.de/

URL Agendorfplan: http://plan.agendorf.de/

Wer Kontakt mit mir aufnehmen möchte: claudia@wandorf.de

Claudia Söder

  

Aus dem Inhalt

Die Einstimmung auf das Ungewisse

Wie gehen wir Ungarndeutsche mit der Corona-Krise um?

Die Corona-Krise ist schon seit mehr als einem Monat Teil unseres Alltags geworden. Fast alle Länder der Welt, an die 2 Millionen Menschen, sind von dieser bedrohlichen Pandemie betroffen. In Ungarn gelten Ausgangsbeschränkungen. Unsere Bildungseinrichtungen haben sich auf den Online-Unterricht eingestellt und soziale Einrichtungen sind geschlossen oder empfangen keine Besucher. Unser Arbeitsalltag ist normalerweise von vielen Routinen, Hektik und Verpflichtungen bestimmt, und auf einmal heißt es: „Bleiben Sie zu Hause!“. Wie kommen die Ungarndeutschen mit dieser Situation zurecht? Was für eine Auswirkung hat die Corona-Krise auf ihr Leben und ihren Alltag? Die NZ hat sich für Sie umgehört, die Gespräche führte Gabriella Sós.

Das Leben muss weitergehen…

Ein Gespräch mit Bürgermeister Gábor Gelencsér

„Bleibt zu Hause, vermindert die Kontakte, wendet euch zu Gott, betet, und plant die Zukunft, haltet durch!“ Das ist die Botschaft eines ungarndeutschen Bürgermeisters an die Menschen zu Zeiten der COVID-19-Pandemie. Gábor Gelencsér ist seit 2010 Bürgermeister der Gemeinde Gedri/Gödre, ein Lokalpatriot und ein waschechter Ungarndeutscher. Seine Eltern unterrichteten bis zur Pensionierung Deutsch als Nationalitätensprache und „infizierten“ ihn, wie er sagt, tief mit der ungarndeutschen Identität.

Frühling mit Schnee und Frost

Nach einem milden Winter kam ein extrem kalter Frühling. Und damit die reflexartige Angst der Landwirte: Was geschieht mit der Ernte? Der Winter verursachte keine nennenswerten Schäden in den Wein- und Obstplantagen. Die Tiefsttemperaturen gingen niemals dauerhaft unter minus 5 Grad Celsius. Der bisherige Frühlingsfrost war da schon härter. Die Landwirte suchen nach Wegen, wie die Blüten der Obstbäume den Frost überstehen. Wir haben den ungarndeutschen Landwirt Sándor Weppert aus Soltvadkert gefragt.

wadkert

Erste Online-Tanzprobe in Leinwar

Die Volkstanzgruppe Leinwar hat am 9. April ihre erste Online-Tanzprobe gehalten. Die Zielgruppen waren die zwei Kindergruppen des Vereins, deshalb wurde der Fokus diesmal vor allem auf die Lieblingslieder und -tänze der Kinder gelegt. Was steckt hinter dieser Idee? Wie wurde sie verwirklicht? Im Folgenden geben wir einen kleinen Einblick in das aktuelle Leben der Leinwarer.

Sára Egri

Vom Getreide bis zum Brot

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert lebten die Einwohner von Herend noch überwiegend vom Ackerbau. Am wichtigsten im Verlauf des Jahres waren das Pflanzen und Ernten des Getreides für die ganze Familie. Der Ertrag der Getreideernte bestimmte das Wohl des nächsten Jahres. Im kühlen Bakony-Mittelgebirge baute man sowohl Weizen als auch Roggen, aber auch Kukuruz an. Die Ernte ernährte nicht nur die Menschen, sondern diente auch zur Fütterung von Vieh und Geflügel.

Die Donau im Mittelpunkt

Das Deutsche Kulturforum östliches Europa lädt Sie dazu ein, die digitalen Angebote auf Facebook und Youtube zu verfolgen, ab Ostern den neuen Blickwechsel zu bestellen und die Kulturkorrespondenz östliches Europa zu abonnieren, die Sie monatlich mit spannenden Themen und mit Neuigkeiten versorgt. Und auch auf digitale Diskussionsformate und Onlineangebote der Partner wird hingewiesen.

Möchten Sie mehr erfahren? Bestellen Sie Neue die Zeitung!

Weitere Artikel

Nachwuchsseminar für Studierende und Doktoranden in Passau: Geschichte des Rechts im Donau-Karpaten-Raum im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit

Studierende und Doktoranden sind herzlich eingeladen, am 21. September 2023 in Passau an einem Seminar für den wissenschaftlichen Nachwuchs teilzunehmen, das unmittelbar vor der internationalen Tagung „Geschichte des Rechts im Donau-Karpaten-Raum im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit“ (21. bis 24. September 2023) stattfinden wird.

Lebenslanger Dienst im Deutschunterricht Zwei Ungarndeutsche aus der Gründergeneration, die sehr viel für den Bildungsbereich unserer Volksgruppe getan haben, Rosa Mammel und Josef Lantos, verließen uns in letzter Zeit