Der Blick in vielschichtige Arbeitsbereiche: von der Gesetzgebung bis hin zur bildenden Kunst

Gespräch mit Gregor Gallai, Sachverständiger für Nationalitätenpolitik

Den Namen von Gregor Gallai kennen alle, die schon mit dem Kabinett des Sprechers der Ungarndeutschen, Emmerich Ritter, in Berührung kamen. Der Sachverständige für Nationalitätenpolitik, der Leiter des Kabinetts, an der Seite des Sprechers der Ungarndeutschen ist Jahrgang 1975 und ist in Budapest geboren. Er studierte an der Pädagogischen Hochschule in Budapest, lebt im Donauknie und arbeitete lange Zeit in Sankt Andräer Galerien. Über seine Tätigkeiten, über die Wahlvorbereitungen und über seine Nähe zur bildenden Kunst sprach NZ mit ihm.

gallai-matzon-ritterGregor Gallai (links) mit Ákos Matzon und Emmerich Ritter bei der Vernissage der VUdAK-Ausstellungsreihe „Gestern – Heute – Morgen“ in Brüssel, Foto: I. F.

NZ: Lieber Herr Gallai, wie sind Sie mit der deutschen Sprache in Berührung gekommen?

GG: Die Familie meines Vaters stammt aus Wudersch, dort haben wir, als ich ein Kind war, meine Großmutter oft besucht. Ich bin in Budapest geboren, dann in Krottendorf/Békásmegyer aufgewachsen, und seit ich dort das Veres-Péter- Gymnasium beendet habe, lebe ich im Donauknie. Zu Hause hat mein Vater in meiner Kindheit deutsch zu uns gesprochen, nach den rigorosen Vorgaben meines Vaters habe ich ab der Grundschule Deutsch als Fremdsprache gelernt. Für mich war es durch die Familie einfacher. Zusammen mit meinen Geschwistern – wir sind zu elft – war es bei uns Pflicht, Deutsch zu lernen.

NZ: Wie sind Sie als Galeriemitarbeiter nach Sankt Andrä gekommen?

GG: Schon während meiner Gymnasialzeit habe ich angefangen, in der Artéria-Galerie zu jobben, um Taschengeld zu verdienen. Literatur und bildende Kunst haben mich schon von früh an interessiert, es gab damals die Galerie Artéria in Sankt Andrä, wo auch viele innerhalb von VUdAK wirkende Künstler ausstellten. Ich bin dort hängen geblieben. Habe an Wochenenden ausgeholfen, während der Hochschule habe ich schon mehr Zeit in der Galerie gearbeitet. Nachdem die Galerie umstrukturiert wurde, und von einem Ödenburger Galeristen – Herrn Horváth – geleitet wurde, bekam ich auch schon Aufträge in Ödenburg, und zwar wegen meiner Deutschkenntnisse. Anschließend kam ich zu der Galerie von László Erdész, ebenfalls in Sankt Andrä.

NZ: Und Sie haben bei der Vernissage der VUdAK-Jubiläumsausstellung in Brüssel Emmerich Ritter begleitet. Was bedeutet es für Sie, erneut mit bildender Kunst in Kontakt zu kommen?

GG: Meine Bindung zur bildenden Kunst hat nicht aufgehört, ich konzipierte Buchpublikationen für die deutsche Minderheit bzw. arbeitete als Grafiker. Diese Bindung ist bis zum heutigen Tag erhalten geblieben, in der Galerie Erdész bin ich oft anzutreffen. Aber auch in Budapest oder sogar international besuche ich sehr gerne mir interessant erscheinende Ausstellungen.

NZ: Was gehört nun alles in Ihren Aufgabenbereich als Experte für Nationalitätenpolitik?

GG: Die Frage könnte umgedreht werden, um zu definieren: was gehört nicht hinzu? Die Tätigkeiten sind sehr zusammengesetzt und wir sind momentan wenige Personen für diesen Aufgabenbereich. Wir lösen alles, darum geht es nicht, denn Emmerich Ritters Arbeitsmoral sowie seine Ausdauer geben ein hohes Effektivitätstempo vor. Aus dieser Sicht haben wir uns auch gefunden, denn wir beide wollen und können viel und effektiv arbeiten. Sehr vielschichtig ist meine Tätigkeit, wir beschäftigen uns ganzheitlich mit sehr vielen Schwerpunkten, begonnen bei der bildenden Kunst bis hin zu Gemeindebesuchen. Jetzt scheint es so, dass ich ab September noch mehr unterwegs sein werde, und so lernen wir interessante Personen, schöne Gegenden kennen, sehen beeindruckende Bräuche. Letztere kennen wir ja, aber hautnah diese mitzuerleben ist anders. Der Blick in das dortige Leben ist markant. Hinzu kommt die Arbeit innerhalb der Gesetzgebung: die Vorbereitung von Gesetzen, Gesetzesvorschlägen, die die Nationalitäten voranbringen. Alle dreizehn Nationalitäten natürlich, so auch die Deutschen. Der Nationalitätenausschuss ist zurzeit das Gremium, das die Gesetze überprüfen bzw. kontrollieren kann. Falls die Ungarndeutschen einen Abgeordneten haben werden, dann wird dieser diese Tätigkeit alleine ausüben können. Natürlich auch in Abstimmung und in Zusammenarbeit mit den anderen Nationalitäten und mit dem Nationalitätenausschuss. Jedoch effektiver, definierter, zügiger.

NZ: Ein bedeutender Schwerpunkt Ihrer Arbeit ist nun auch die Wahlvorbereitung.

GG: Das Wahlprogramm ist in der Abstimmung mit der Vollversammlung der LdU definiert, auch die Ideen von Emmerich Ritter werden in dieses integriert bzw. erscheinen, aber es handelt sich um ein sehr gründlich überlegtes Teamwork. Auch die LdU befasste sich bislang schon öfter mit der Vorbereitung der Wahlen. Emmerich Ritter ist auch der Vorsitzende von ÉMNÖSZ – Verband der deutschen Selbstverwaltungen in Nordungarn e. V. –, auch im Rahmen dieses Verbandes gab es schon Vorverhandlungen die Wahlen betreffend. Ab September begannen im ganzen Land die Wahlvorbereitungen. Im engeren Sinne ist dies keine Kampagne, sondern die Animierung zur Registration. Damit die Ungarndeutschen einen vollberechtigten Abgeordneten ins Parlament entsenden können, braucht man letztendlich ca. 20.-21.000 gültige Stimmen. Laut unserer Rechnung – wir setzen die gleiche 75-prozentige Wahlbeteiligung wie bei der letzten Wahl voraus, setzt sich Herr Ritter 40.000 Stimmen zum Ziel. Das scheint durchaus erreichbar. Auch im Hinblick auf die Volkszählungszahlen bzw. durch die Tatsache, dass bei der nächsten Wahl viele die Wahlmündigkeit erreichen, bzw. im Spiegel der Zahlen der durch die Selbstverwaltungen übernommenen deutschen Bildungsinstitutionen, scheint es realistisch zu sein. 15.000 SchülerInnen lernen ab September in von Deutschen Selbstverwaltungen getragenen Schulen. Nicht mit ihnen rechnen wir bei der Registrierung, sondern mit ihren Eltern. Denn wenn sie und auch ihre Großeltern, ihre Geschwister nicht ausschließlich durch die Wahl der Bildungsinstitution stolz ihre Herkunft bekunden, sondern auch durch die Registration: dann wird es klappen.

A.K.

  

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