Nachruf auf Márton Kalász

„Ich bleibe jetzt – ich will nicht sagen leider – ungarischer Schriftsteller“

Im Alter von 87 Jahren starb am 30. Dezember Márton Kalász, Schriftsteller, Dichter, Übersetzer, Universitätsprofessor, Künstler der Nation, Kossuth-Preisträger, zweifacher József-Attila-Preisträger, Träger der Ehrennadel in Gold für das Ungarndeutschtum, Ehrenbürger seines Heimatdorfes Schomberg und seines letzten Wohnortes Neuofen/Újbuda, Mitglied der Ungarischen Kunstakademie, ehemaliger Vorsitzender des Ungarischen Schriftstellerverbandes.

In Schomberg kam er am 8. September 1934 als Martin Christmann zur Welt und sprach bis zu seinem 11. Lebensjahr nur deutsch. „Wenn ich zu Hause bin, versuche ich bewusst die Mundart zu sprechen. Als ich in den 90er Jahren sechs Jahre lang in Baden-Württemberg und in der Pfalz lebte, habe ich mit Genuss die Mundart sprechen können. Nicht Schwäbisch, denn wir sind ja keine Schwaben, sondern Franken. In der Pfalz habe ich all das wieder gehört, was meine Großmutter mir damals gesagt hat. Das war wunderbar, sich da einzumischen, zum Erstaunen der Menschen dort. Das war ein großes Erlebnis für mich!“, sagte Kalász in einem Gespräch mit Marianne Hirmann 2001, das im Manuskript vorliegt.

Ein beachtliches dichterisches Lebenswerk hat Kalász hinterlassen. Er hat ausschließlich ungarisch geschrieben. „Ich brauche nicht zu erläutern, warum ich damals nicht deutsch schreiben konnte. Das war ja eindeutig. Vielleicht könnte ich das, aber ich habe es nie versucht.“

In den 70er Jahren begann er, sich mit seiner Herkunft literarisch auseinanderzusetzen. So kam 1986 der Roman „Téli bárány“ heraus, der 1992 in der hervorragenden Übersetzung von Paul Kárpáti (Winterlamm) in Österreich erschien. Den Umschlag der ungarischen Ausgabe gestaltete der Graphiker Robert König (1951 – 2014). Der Roman löste eine langanhaltende, leidenschaftliche Diskussion über „Kollektivschuld“, Enteignung und Vertreibung der Ungarndeutschen aus, die bisher als Tabuthemen galten. Über 100 Kritiken sind erschienen, es gab zahlreiche persönliche Gespräche, Einladungen zu Lesungen sowohl in Ungarn als auch bei den Heimatvertriebenen in Deutschland.

Diese gute Resonanz hat ihn inspiriert, das Thema fortzusetzen. Als Direktor im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart (1991 – 1994) arbeitete er an „der Dokumentation, mit viel persönlichen, essayistischen und belletristischen Zügen“, die 1999 unter dem Titel „Tizedelőcédulák“ erschien und bald ausverkauft war. Das aus dem Banat stammende und in München lebende Ehepaar Julia und Robert Schiff übersetzte das Buch. „Dezimierungszettel“ wurde 2002 von VUdAK in Zusammenarbeit mit der Neue-Zeitung-Stiftung herausgegeben.

Seine Erfahrungen und Erinnerungen an die DDR (er war 1964 dort Stipendiat, arbeitete von 1971 – 1974 im Haus der Ungarischen Kultur in Ostberlin und hatte auch heimatvertriebene Verwandtschaft) bearbeitete er im Buch „Berlin – Zárt övezet“ (2010).

Beachtlich ist sein übersetzerisches Werk aus dem Deutschen von DDR-Schriftstellern, mit denen er freundschaftlichen Umgang pflegte. Auf Initiative von Professor Manherz übertrug Kalász 82 Perlen aus der Volksdichtung der Ungarndeutschen mit dem Titel „Holzapfels Bäumelein, wie bitter ist dein Kern“ (1984 und 1995).

Auch ungarndeutsche Literatur – Erika Áts, Valeria Koch, Engelbert Rittinger oder Vata Vágyi – übersetzte er ins Ungarische. Besonders angetan war er von der Leistung von Valeria Koch. Geschätzt hat er Ludwig Fischer, den er aus den Gymnasialjahren in Fünfkirchen kannte.

Im zitierten Gespräch sagte er: „Ich bleibe jetzt – ich will nicht sagen leider – ungarischer Schriftsteller, und da hilft nichts mehr. Das Wichtigste ist, meines Erachtens, dass ich schreibe. Ich will gute Literatur machen. Und dann kommt erst die Überlegung, ob mein Thema jetzt die Minderheit ist.“

Johann Schuth

 

Bei der Präsentation der deutschsprachigen Ausgabe „Dezimierungszettel“ im Haus der Ungarndeutschen in Budapest

Foto: Bajtai László

 

Aus dem Inhalt

 

Auf ungarndeutschen Spuren in den Kleinstädten

Neue Lehrpfade in Mohatsch und Petschwar übergeben

Die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen ist sehr stolz darauf, zwei Neuzugänge des landesweiten Netzwerks an ungarndeutschen Lehrpfaden vorstellen zu dürfen: die neuen thematischen Wanderwege in zwei Städten der Branau, in Mohatsch und Petschwar. Die Interessenten erwarten somit bereits elf Routen in elf von Deutschen bewohnten Ortschaften Ungarns. Die lediglich einige hundert Meter langen Pfade sind sehr gut besucht, wobei sich immer mehr Dörfer und Städte bereit erklären, durch den freiwilligen Beitrag von Institutionen und Zivilorganisationen Kuriosa und Werte der vor Ort lebenden Ungarndeutschen zu ermitteln und auf Tafeln, interaktiven Installationen und in Begleitheften zu präsentieren.

Frauenchor aus Ganna erhielt Nationalitätenpreis

Der 50-jährige von der Lehrerin Frau Benkő gegründete ungarndeutsche Frauenchor aus Ganna (Komitat Wesprim) erhielt am Tag der Nationalitäten den Nationalitätenpreis des Ministerpräsidenten. Seit Jahrzehnten bereichern die hervorragend singenden Frauen das Kulturleben der ungarndeutschen Gemeinschaft auf Komitats- und Landesebene, sind ein wichtiger Akteur im Landesrat ungarndeutscher Chöre, Kapellen und Tanzgruppen, haben auch Erfolge im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich) gefeiert. Die im Dorf und in der Umgebung gesammelten Lieder wurden in einem Liederbuch herausgegeben.

Hauptstadt: Auszeichnungen und Konzert

Die traditionelle Adventsveranstaltung der Deutschen Selbstverwaltung Budapest fand diesmal im Haus der Ungarndeutschen in Budapest statt, verbunden mit einem Adventskonzert, bei dem Meisterwerke von Weber, Flotow, Schubert, Schumann, Liszt, J. Strauss und Lehár von den Opernsängerinnen Gyöngyvér Sudár und Éva Szabó-Szilágyi in Begleitung des Pianisten Pál Mezei vorgetragen wurden. Vorsitzende Judit Bárkányi übergab die Auszeichnung „Für das Deutschtum in Budapest 2021“ an zwei verdiente Persönlichkeiten, Frau Katharina Dézsi und Dr. Zsuzsanna Szabó-Nagy. Die Neue Zeitung veröffentlicht die Laudationen.

Andreas Netzkar: ein Brückenbauer zwischen der alten und neuen Heimat

Mit einer Trauerfeier am 17. 12. 2021 wurde Abschied von Andreas Netzkar genommen, der aus Pußtawam vertrieben wurde und in Geretsried eine neue Heimat gefunden hatte. Der Spruch „Deiner Sprache, deiner Sitte, deinem Volke bleibe treu“ von Jakob Bleyer ziert seit 1960 die Fahne der Trachtengruppe der Deutschen aus Ungarn. Dementsprechend ist Andreas Netzkar seiner Sprache, seiner Sitte und seinem Volke treu geblieben. Pionierarbeit hat Netzkar in Geretsried geleistet, nachdem er seine Heimat Pußtawam verlassen musste und zählte zu den Gründungsvätern des Geretsrieder Kulturlebens.

Zur Geschichte der Jahreslosung

Hört man über Jahreslosung, so denkt man in erster Linie an eine evangelische Tradition, Bibelzitate in den Mittelpunkt geistiger Vertiefung zu stellen. Sie ist am Anfang jedes Jahres Gegenstand und Inhalt unzähliger Predigten, Bibelarbeiten und Andachten. Sie hängt in vielen Gemeindesälen, Wohnzimmern und Pfarrämtern aus. Und trotzdem wissen die meisten nicht, woher sie eigentlich kommt: die Jahreslosung. „Sie werden lachen: Die Bibel.“ Dies hat Bertolt Brecht auf die Frage, welches Buch ihn in seinem Leben am meisten beeindruckt habe, geantwortet. Da die Bibel im Allgemeinen aber zu komplex für einen herkömmlichen Leser sein kann, kam bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ein Landpfarrer aus Kurhessen, der seine Konfirmanden zum täglichen Bibellesen motivieren wollte, auf den Gedanken, die Bibel in kurze Abschnitte einzuteilen, die er dann jedem Tag des Kalenders zugeordnet hat.

VUK-Familien wieder vereint

Nach dem Aussetzer im Jahr 2020 wegen der Corona-Beschränkungen konnte 2021 – wenn auch mit einer geringeren Teilnehmerzahl – erneut ein VUK-Familienwochenende veranstaltet werden. Das 16. VUK-Familienwochenende fand unter Teilnahme von 14 Familien im Hotel Orchidea nahe Tengelic statt. Fast zwei Jahre musste man auf das große Treffen warten, das Wochenende verging aber wieder wie im Nu.

Von Monat zu Monat: Der Januar

Das Wort „Monat“ wird von „Mond“ abgeleitet. Grob gerechnet dauert ein Mondmonat 27 Tage. Daraus ergibt sich eine Woche mit neun Tagen, woraus sich die Wichtigkeit der Zahl Neun schon in steinzeitlichen Kulturen, so auch bei germanischen Stämmen, ableiten lässt. In jedem neunten Jahr feierte man in Dänemark noch im 10. Jahrhundert das große Landesfest mit 99 Menschen- und 99 Pferdeopfern. Die Schweden feierten das gleiche Hochfest fast bis zum Jahre 1100 mit 72 (8 x 9) Tieren und Menschen als Opfer. Die Zahl 9 behielt ihre wichtige Rolle auch bei den Ungarndeutschen. Ursprünglich bestand die Zahl der gesammelten Kräuter des Weihbüschels aus 99-erlei verschiedenen Arten. In einer mündlich überlieferten Geschichte aus Surgetin konnte jemand durch das Vergraben von neunundneunzigererlei Gegenständen in einem irdenen Topf die Pferde eines Bauers krank machen.

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Bereits seit 2011 vergibt das Ministerium für Humanressourcen jährlich ein Stipendium an sozial benachteiligte Schüler von Nationalitätenschulen mit besonders guten schulischen Leistungen, um sie auf ihrem weiteren Bildungsweg zu unterstützen. Stipendien können Schüler anhand der Empfehlung ihrer Schulen beantragen und zwei Jahre lang, bis zur Matura, erhalten.

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„Traditionelles bewahren ist wichtig, und dabei nach innovativen Lösungen zu suchen ist nötig“, meinte László Kreisz, der Vorsitzende des Landesrates Ungarndeutscher Chöre, Kapellen und Tanzgruppen, als er das Konzept der Veranstaltung zum 20-jährigen Jubiläum seiner Organisation erklärte.